
Es ist jetzt Weihnachten und ich habe endlich die Zeit gefunden, aus meinem Reisetagebuch diese Internetseite zu erstellen. Ich hoste sie auf meinem privaten NAS. Nun weiß ich auch endlich, wie das geht.
Ich möchte meinen Bericht unter ein Motto stellen, das ich auf der Via Podiensis in der Abteikirche von Aubrac fand:
«Lève toi et marche»!
I. Wie es dazu kam

Schon vor Jahren hatte ich die Idee, eine lange Radreise auf dem Tandem mit meiner Frau nach Andalusien zu machen. Das klang wunderbar exotisch und weit weg. Damals wusste ich gar nicht so genau, wo Andalusien eigentlich liegt. Nach einer Prüfung auf Google-maps war klar, ca. 2500km sind «weit» weg.
Diese Reise, so war meine Idee, wollte ich mit 55 Jahren machen. Aber es kam anders.
Ich habe beruflich ein größeres Projekt geleitet, das im Frühjahr 2015 abgeschlossen sein sollte, danach wäre administratives Aufräumen dran. Da man in der Regel gleich ein neues Projekt zugewiesen bekommt, sobald das alte etwas weniger stressig ist, kam ich auf die Idee, mir durch Lohnverzicht eine sommerliche Auszeit zwischen den Projekten zu verabreichen. Glücklicherweise wurde ich von meinem Chef dabei sehr unterstützt und so konnte ich anfangen, von Reisezielen zu träumen. Vier Wochen wollte ich mir für die Reise Zeit nehmen.
Über die Monate hinweg kristallisierte sich dann der Plan heraus, alleine mit dem Reiserad von Bonn nach Barcelona zu fahren und dabei über weite Strecken dem Jakobsweg zu folgen. Dafür gab es sehr gute Reiseführer mit Streckenbeschreibung, Alternativstrecken für Radpilger und Übernachtungsverzeichnissen. Und auf der Strecke liegen viele interessante und altehrwürdige Orte. Auch die Aussicht, unterwegs andere Alleinpilger zu treffen, erschien mir angenehm.
II. Vorbereitung und Ausrüstung
Anhand der Outdoor-Handbücher «Jakobsweg Trier – Le Puy» von Ingrid Retterath und «Frankreich: Jakobsweg Via Podiensis» von Hartmut Engel habe ich die Strecke auf meinem Computer in BaseCamp von Garmin geplant, um sie anschließend in Teil-Tracks à 500 Punkten auf ein Garmin eTrex30 laden zu können. Die geplante Strecke war 1889 km lang. Also würde ich 67 km pro Tag fahren müssen, um in vier Wochen in Barcelona anzukommen. Außerdem wies die Routenplanung ca. 25.000 Höhenmeter aus. Davor hatte ich einen ordentlichen Respekt. Aber ohne Berge würde die Tour langweilig sein.
Für die zu erwartenden Routen-Anpassungen unterwegs habe ich mir ein 8-Zoll-Android-Tablet gekauft, nachdem ich erfahren hatte, dass es dafür eine App gibt, mit der man Tracks auf das Garmin laden kann. Als Offline-Karte habe ich Locus Pro zusammen mit dem BRouter installiert. Ich hatte zwar drei Michelin-200.000er Karten dabei, habe sie aber kein einziges Mal unterwegs benutzt. Das Tablet habe ich auch dazu verwendet, die Fotos von der Kamera zu sichern und unterwegs ein elektronisches Tagebuch in einem Word-Editor zu führen. Tagebuch und Fotos habe ich alle paar Tage auf Dropbox hochgeladen von wo sie meine Frau herunterziehen und anschauen konnte.

Erst wollte ich nur die zwei großen Carradice Super-C-Backroller-Taschen für das Gepäck nehmen. Für Verpflegung und Gaskocher waren aber die zusätzlichen Low-Rider-Taschen sehr praktisch. Der Kocher sollte nur dazu dienen, um unterwegs Espresso in einer kleinen Cafetiere kochen zu können: Soviel Luxus musste einfach sein!

Bei der Fahrrad-Kleidung habe ich neben Merino-Unterhemd und Funktions-Wanderhemd noch eine neon-gelbe Windjacke und eine neon-rote Sympatex-Jacke mitgenommen.
Unter der Fahrrad-Bermuda-Hose habe ich eine kurze Radhose getragen. So konnte ich an heißen Tagen in Radhose und Unterhemd fahren. Auf Klickpedale habe ich angesichts der zu erwartenden Feldwegabschnitte verzichtet und immer meine flachen Wanderschuhe getragen. Regenhose, Überschuhe und Helmcover waren natürlich auch im Gepäck.
Wertsachen wie Handy und Geldbörse habe ich in einer Gürteltasche verstaut, die am Lenker befestigt war. An dieser Tasche habe ich auch die Suunto-Höhenuhr und den Fotoapparat gehängt. So hatte ich beides immer schnell zur Hand, ohne eine sperrige Lenkradtasche mitnehmen zu müssen. Zwischen den hinteren Taschen lag ein einfacher Rucksack für die Windjacke, Sitzkissen und das Tablet. Als Regenschutz hatte ich einen wasserdichten Kleppersack dabei, in den ich den Rucksack und die Gürteltasche stecken konnte.
Für abends hatte ich eine Hose, ein Hemd und eine rote Fleece-Jacke sowie Wandersandalen eingepackt, mehr nicht. Es sollte ja warm werden.
Zwei 0,75l-Edelstahltrinkflaschen hatte ich in Halterungen am Rahmen, eine zusätzliche 1l-Flasche in einer der Low-Rider-Taschen. Das sollte an heißen Tagen nicht reichen.
Mit der Packliste habe ich früh im Jahr angefangen, auch mit der Planung der Strecke. So hatte ich lange Zeit, mich auf die Tour einzustellen, mich vorzubereiten, in Gedanken schon einmal kurz weg zu sein. Am Ende war es mit all der Vorbereitung ganz leicht: aufsteigen und losfahren!
Von Bonn nach Trier

Bonn-Trier ist auf dem Ahrtalradweg und dem Maare-Mosel-Radweg wirklich gut zu fahren. Es gilt den Eifelhauptkamm mit etwas über 600m Höhe zu überwinden. Vorher geht es sanft das Ahrtal hinauf, dann sanft auf der alten Bahntrasse zur Mosel hinunter.
Tag 1 – Bonn – Adenau – 75 km, 470 Hm

Aufsteigen und losfahren, ja, doch der erste Tag begann mit einem kleinen Schock, denn ich fand die Werkzeugtasche leer vor, als ich nach dem Frühstück mit der Familie vor dem Haus auf das fertig gepackte Rad steigen wollte. So waren meine ersten Stationen zwei Radläden, um das Werkzeug nachzukaufen. In beiden Läden stieß meine Geschichte auf viel Mitgefühl und die Mitarbeiter schauten noch einmal auf mein Rad, gaben Tipps, Kabelbinder und gute Wünsche mit.

Die erste Pilgerstation war das Bonner Münster, wo ich mir den ersten Stempel in meinen Pilgerausweis habe geben lassen. Auch dort gabe es gute Wünsche und so gestärkt konnte ich die erste Etappe doch mit frischem Mut angehen.

Ich folgte dem Rhein bis kurz vor Remagen. Über die Calmuth ging es nach Kirchdaun zu meiner Mutter zum Mittagessen, dann hinunter nach Heppingen an den Ahrradweg. In Mayschoss bekam ich bei einer Freundin Kaffee und leckeren Kuchen und weiter ging es das Tal hinauf bis Adenau. Das Zimmer in der Alten Gerberei war sehr luxuriös.
Im Supermarkt habe ich gleich noch Obst und Käse für die nächste Etappe gekauft und mir zur Feier des Tourbeginns eine Dose Bier genehmigt. Gemüsegurke, Cocktailtomaten, Aprikose und Äpfel haben von da an fast alle Tage meiner Tour meinen Speiseplan bereichert. Die mitgenommenen Brotdosen eigneten sich hervorragend, um den Käse und das empfindlichere Obst stoßsicher zu verstauen. Allerdings waren sie nicht wasserdicht und so hatte ich manchmal Tomatensaft in der Lowrider-Tasche.
Tag 2 – Adenau – Laufeld – 58 km, 790 Hm
Am nächsten Morgen war strahlend blauer Himmel und wunderbar frische Luft. Allerbeste Bedingungen für die Überquerung des Eifelhauptkamms. Auch meine Stimmung war angesichts der guten Nacht und der relativ kurzen Etappe bis Laufeld sehr entspannt.

Die Steigung zur Nürburg hinauf ließ sich erstaunlich gut fahren, sogar die Schotterstrecke am Ende ging trotz des Gepäcks gut. Ich konnte die ersten Aussichten über die Eifelhöhen genießen und zur Belohnung gab es eine lange Schussfahrt vom Nürburgring hinunter nach Müllenbach.

Hier habe ich die erste Kirche meiner Pilgerfahrt besucht. «Bonum est confidere» und «Mon ame se respose» habe ich für mich alleine in der leeren Kirche gesungen und zwei Kerzen angezündet, eine für meine Familie zu Hause und eine für mich und alle, denen ich an diesem Tag begegnen würde. Dieser Ablauf wurde zu einem festen Ritual an fast allen Tagen auf der Pilgerstrecke bis Moissac an der Garonne, drei Wochen lang.

Von Müllenbach ging es nach Kelberg. Dort habe ich die erste Mittagsrast mit Espresso-Kocher gemacht. So sollte es sein: ein heißer Tag, ein heißer Kaffee und eine anstrengende Steigung vor mir! Denn danach kam der Anstieg am Hochkelberg vorbei zum Apfelkreuz hinauf, einer langen Fahrstraße auf dem Kamm folgend, dann schließlich über Darscheid hinunter nach Daun.

Dort beginnt der exzellent ausgebaute Maare-Mosel-Radweg. Ich kannte die Strecke gut und freute mich sehr auf den umwerfenden Kuchen im Bauernhof-Café in Eckfeld. Bald danach war ich in Laufeld am Ende einer eher kurzen Etappe, die ausreichend Zeit für genussvolle Pausen geboten hatte.
Tag 3 – Laufeld – Trier – 71 km, 415 Hm
Mit einer Bekannten, die mir einen Übernachtungsplatz angeboten hatte, war ich für 16 Uhr vor dem Kloster Sankt Matthias in Trier verabredet.

In Wittlich habe ich mein kleines Pilgergebet in der Pfarrkirche gehalten. Draußen sprach mich ein Mann an, der aus dem gegenüberliegenden Pfarrhaus kam. Es sähe nach einer weiten Reise aus, meinte er. Wir sprachen einige nette Sätze miteinander und am Ende zog er eine dunkelrote kleine Holzkatze aus der Jackettasche und reichte sie mir mit den Worten «Dann wünsche ich Ihnen, dass die Reise nicht für die Katz ist». Ich habe die Katze mit Kabelbindern am Lenker befestigt. Sie war mit in Barcelona und fährt auch heute noch mit auf meinem Rad.

Es war ein sehr heißer Tag. An der Mosel angekommen musste ich dringend die Wasserflaschen füllen. Um halb vier war ich in Sankt Matthias und hatte noch Zeit, das Apostelgrab zu bewundern. Beim Eintreten in die kalte Luft der großen romanischen Wallfahrtskirche erfasste mich ein ehrfürchtiges Gefühl. Jetzt war ich wirklich auf Pilgerfahrt!

Die Bekannte war um Punkt 16 Uhr auf dem Klosterhof und wir sind gemeinsam nach Mariahof hinauf geradelt.
IV. Entlang der Mosel nach Toul

Der Weg der Fußpilger führt von Trier über die Berge ins Saartal und wieder über die Berge nach Metz zurück an die Mosel. In der Planungsphase waren mir die vielen Berge mit Gepäck noch etwas suspekt. Als ich die Autorin des Pilgerführers anschrieb, ob sie mir die gps-Daten für die Tourplanung zur Verfügung stellen könne, hat sie mir denn auch die Strecke entlang der Mosel empfohlen. Die gps-Daten hatte sie leider bei einem Festplatten-Crash verloren.
Tag 4 – Trier – Thionville – 85 km, 220 Hm
Es war für den Nachmittag Regen angekündigt. Also bin ich die Strecke recht zügig angegangen. In Oberbillig habe ich auf die luxemburgische Seite übergesetzt. Das war keine gute Wahl: Ich bin viele Kilometer an einer breiten Straße auf dem Seitenstreifen gefahren und hatte in dieser Schneise heftigen Gegenwind. Dazu war es wieder ordentlich warm.

In Schengen bin ich in eine Tankstelle gestürzt und habe mir eine kalte Fanta Lemon und eine 1,5l-Flasche Wasser gekauft. Fanta Lemon war danach das Erfrischungs-Belohnungs-Getränk auf allen Etappen. Und eine 1,5l-Flasche Wasser hatte ich danach wann immer möglich zusätzlich in einer hinteren Packtasche.
Hinter Schengen erreichte ich endlich das gelobte Land, Frankreich, mein Synonym für Sonne, Meer, Weite, guten Käse, kleine Dörfer, uralte Kirchen und Wein. Mein Schulfranzösisch musste reichen, auch wenn ich versucht hatte, in den Monaten vorher ein wenig Vokabeln zu lernen. Alleine unter Franzosen fehlten mir zwar oft die Worte für entspannten Smalltalk, aber alles Wichtige konnte ich sagen und fühlte mich so immer sicher und nie hilflos.

Ich hätte bis Thionville auf der linken Moselseite bleiben sollen. Aber kurz vor der Stadt, die dunklen Wolken ballten sich vor mir, bin ich über eine Brücke, um dem Hauptweg zu folgen. Der endete dann vor der Mündung eines Kanals, über den die Brücke fehlte. Die im nahen Bootshaus feiernden Franzosen gaben mir den Hinweis, den Umleitungsschildern zu folgen. Na, die hätte ich vorher mit etwas mehr Umsicht selber sehen können, groß genug waren sie.

Ich erreichte die Festungsstadt Thionville abgekämpft aber trocken gegen halb drei. Um vier fing es an zu regnen. Abends war ich in der Sonntagabendmesse und fühlte mich wohl in der herzlichen Atmosphäre dieser Gemeinde. Wieder ein schönes Pilgererlebnis.
Tag 5 – Thionville – Pont-a-Mousson – 67 km, 160 Hm

Am nächsten Morgen war das Regengebiet durchgezogen, die lockere, niedrige Bewölkung hing stimmungsvoll über der Mosel.

Als ich mein Rad in Metz an das Gitter vor dem Südportal der Kathedrale anschloss, wurde ich von zwei Leuten angesprochen, die Touristen interviewten. Ich habe ihre Fragen, warum ich Metz besuche und was mir an der Stadt besonders gefällt, gerne aus Sicht eines lediglich durchreisenden Pilgers beantwortet.

Ich hatte mich sehr auf die Kathedrale gefreut, aber drinnen hat es mich einfach erschlagen, so viele Eindrücke gab es zu verarbeiten.
Da ich in Sankt Matthias keinen Pilgerstempel bekommen hatte, weil Samstagnachmittags der Klosterladen geschlossen ist, war ich sehr froh, in Metz in der Kathedrale einen Stempel zu bekommen. An Tagen ohne große Kirchen habe ich immer die Hoteliers gebeten, mir ihren Stempel in meinen Pilgerpass zu drücken.

In der Bar Saint Jacques gab es noch einen Kaffee, dann ging es zurück auf den Moselradweg. Er führte drei Stunden lang zwischen den Seen in den Moselauen hindurch, sehr idyllisch und prima zu fahren. Bis er plötzlich nicht mehr ausgebaut war und der Weg über die alten Eisenbahnschwellen weiterging. Auch der Abschnitt danach, auf einer breiten LKW-Piste war wegen der vielen Schlaglöcher nur schwer zu fahren und ich kam nur langsam voran.

Erst kurz nach Fünf war ich schließlich in Pont-a-Mousson, habe die Einkäufe am Marktplatz erledigt und bin zum Hotel. Nach dem Abendessen war noch Zeit für eine kleine Stadtbesichtigung, auch hinüber zur Prämonstratenser-Abtei auf der anderen Moselseite.
Tag 6 – Point-a-Mousson – Toul – 50 km, 210 Hm
Für nachmittags um vier war ich mit meinem Bruder vor der Kathedrale von Toul verabredet. Er wollte eine mehrtägige Motorradtour durch Frankreich machen und hat seine Strecke so geplant, dass sie sich mit meiner kreuzte. Daher die kurze Etappe von nur 50km.

Es ging wieder mit stetigem Gegenwind die Mosel und ihre zahlreichen parallelen Kanäle entlang. Noch in Pont-a-Mousson lag das große Stahlwerk, das für fast ganz Frankreich die Gullideckel gießt. Bei Pompey suchte ich mal wieder auf dem Navi den Weg. Da hielt ein netter junger Mann mit dem Auto neben mir und bot Hilfe an. Er war im Urlaub mit seiner Frau eine Woche von Nantes nach Straßburg geradelt und kannte wohl die Erfahrung des Wegsuchens.
An der Moselschleife in Liverdun habe ich dann doch eine windgeschützte Bushaltestelle zum Kaffee kochen gewählt. Es war windig, mir war kalt. Mit zwei dünnen Jacken ging es dann.

Das Moseltal wurde danach sehr weit und bot viel Platz für den frischen Gegenwind. Aber schon auf Kilometer 49 war ich auf der Höhe der Kathedrale von Toul, es war kurz nach zwei.

In bin in Ruhe auf den Turm und habe den weiten Blick über die Ebene genossen. Um vier war mein Bruder in der Kirche, wie aus dem Nichts entstand ein Gefühl von Heimat.
Wir haben lange im Café erzählt, waren abends lecker chinesisch essen und haben uns ein Zimmer im Hotel geteilt. Am nächsten Morgen ist jeder wieder seiner Wege gefahren.
V. Über die Hochebene von Langres

Die Gegend zwischen Toul an der Mosel und Dijon in Burgund ist für Pilger eher schwierig, da es nicht viele Übernachtungsmöglichkeiten in guten Abständen von Tagesetappen gibt. Auch als Radfahrer war es nicht leicht, da ich nicht den Hauptverkehrsstraßen folgen wollte. In Toul war ich knapp unter dem Soll von 67 km pro Tag, das ich brauchte, um in 28 Tagen in Barcelona zu sein, und viele Bergtouren lagen noch vor mir.
Tag 7 – Toul – Bourg-Sainte-Marie – 85 km, 840 Hm

Von Toul aus führte der Weg erst am Talrand entlang, dann auf die alte Römerstraße. Es war ein schnurgerader Feldweg über mehr als zehn Kilometer mit Schlaglöchern und Schotter.

Zwischendurch ging es durch einen Wald, der mich sehr an Robin Hoods Sherwood Forest erinnerte.

Auf der ganzen Strecke gab es nirgendwo eine Bank zum Rast machen.
Schließlich habe ich auf Baumstämmen am Wegrand gesessen und den Kaffee gekocht. Es kam ein Rennradfahrer mit Anhänger vorbei gerast, der Anhänger hüpfte wild hinter ihm her.

Später habe ich In St. Elophe an der Kirche den Wasserhahn mit der neuen Zange aufgedreht und konnte so endlich die Trinkflaschen nachfüllen. Danach war meine geplante Route auf nur schwer fahrbaren Fußwegen, die ich bald leid war.
In Fruze bin ich auf die Hauptstraße gewechselt und konnte so recht zügig nach Neufchateau hinein fahren.

An der Kirche St. Christoph wollte ich eigentlich nur die Touristeninformation suchen. Vor der Kirche sprach mich aber eine Französin und fragte, ob ich eine Führung möchte.
Sie hat mich alleine durch die Kirche geführt, alle Lampen eingeschaltet und beim Rundgang in kaum verständlichem Englisch ihren Handzettel abgelesen.
Noch vor der Kirche habe ich wieder Booking.Com genutzt und mir ein Zimmer in Bourg-Sainte-Marie gebucht. Ich hab gleich auch dort angerufen und angekündigt, dass ich erst zwischen sechs und sieben komme. Bei all dem Gegenwind war es am Ende Viertel nach sieben.

Nach Pompierre ging es mehrere Kilometer auf geteerter Römertrasse bergauf, natürlich mit heftigem Gegenwind.
Auch entlang des Tals ging es viel bergauf. Die letzten Kilometer habe ich laut gebetet, dass alles toll wäre, aber, wenn es vielleicht möglich wäre, möge Petrus doch bitte den Wind abflauen oder sich drehen lassen.

In Nijon musste ich umplanen, da die Straße gesperrt war. Über Feld- und Wiesenwege ging es hinauf zum Hotel. Auf dem letzten Kilometer hatte ich sogar Rückenwind!

Als ich am Hotel ankam, schlenderte gerade ein Mann, etwas älter als ich, auch darauf zu. Er sah aus wie ein Pilger, also hab ich auf Deutsch gegrüßt. Wir haben zusammen im Hotel zu Abend gegessen und viel erzählt. Er war aus der Nähe von Trier und hatte erst vor zwei Wochen entschieden, dass er losläuft und wollte nun bis ans Ende der Welt, weil ihm seine Wanderung nach Trier so gut gefallen hatte. Er hatte sich Zelt und Pilgerführer besorgt und sich von seiner Frau verabschiedet und würde bis in den November laufen müssen. Er hatte 16 kg Gepäck inklusive Zelt dabei, wollte aber hinter Langres abspecken, vor allem das Zelt wollte er zurückschicken. Der Abschied war sehr herzlich.
Tag 8 – Bourg-Sainte-Marie – Saint Michel – 75 km, 1030 Hm

Am nächsten Morgen traf ich ihn nach 8 km auf meiner Strecke. Er hatte noch nicht einmal einen Kaffee auf dem Campingplatz bekommen. Also habe ich ihm am Wegrand einen gekocht. Auch das war sehr nett, er hat sich echt gefreut.

In Montigny-le-Roi, musste ich einen extrem bissigen Anstieg ins Dorfzentrum hinauf. Es gab bewundernde Kommentare von Zuschauern und die Frage, ob das ein Pedelec sei. Als Belohnung habe ich Kaffee mit Pain-au-Chocolat in der Bar genommen.

Weiter ging es auf und ab, warm, sonnig, mit dem längst vertrauten Gegenwind und ohne Bänke zum Rasten am Straßenrand. Schließlich habe ich mich an einer Abzweigung in den Hang auf den Boden gesetzt, Picknick gemacht und allen Leuten gewinkt, die vorbei fuhren.

In Champigny, kurz vor Langres, war ich in der Dorfkirche. Von dort konnte ich Langres auf dem Berg vor mir liegen sehen. Zur Festungsstadt ging es einige hundert Meter lang mit über 13 % extrem steil den Berg hinauf. Da war ich meinem Kreislauf sehr dankbar, dass er das verkraftet hat.

An der Touristeninformation traf ich eine Gruppe deutscher PilgerInnen, die einen Begleitbus hatten, so brauchten sie kein Gepäck schleppen und auch keine steilen Anstiege laufen. Es waren aber auch einige von ihnen schon über 80 Jahre alt.

Weil ich noch Zeit hatte, bin ich mit dem Rad auf der Stadtmauer einmal um die ganze Stadt herum gefahren und habe die beeindruckende Aussicht in die ganze Umgebung bewundert.
Die Fahrt entlang der Schnellstraße ging schnell, war aber sehr anstrengend und nur eine Notlösung. Mit dem Motel-Zimmer dagegen war ich sehr zufrieden.
Tag 9 – Saint-Michel – Marsannay-la-Cote – 80 km, 645 Hm

Am nächsten Morgen regnete es, die Wolken hingen zum Anfassen tief über der Ebene. Nach dem Frühstück hat es aber aufgehört. Auf nasser Straße ohne Gegenwind ging es über die Hänge hoch und durch die weiten Ebenen mit endlosen Feldern. Aus den tiefhängenden Wolken fielen einzelne Regentropfen. Die Dörfer waren winzig mit zum Teil vielen verfallenden Bauernhäusern. Dann wieder gab es viele sehr schön hergerichtete.

In Boussenois war die sehr alte Dorfkirche auch verschlossen. Es kam aber ein älterer Herr aus dem Hof nebenan und sprach mich an. Er war Holländer und hatte das alte Pfarrhaus in den letzten Jahren wunderbar restauriert. Zur Kirche erzählte er mir, dass sie von Mönchen als Fluchtkirche erbaut worden war. An der Südseite führte eine Treppe zum Dach des südlichen Querschiffs. Durch einen Kriechgang kommt man zu einem Schutzraum. Außerdem gab es über dem Westportal eine kleine Tür, von der man Steine auf Angreifer hatte fallen lassen können.

Als der Mann, der den Schlüssel hatte, zufällig vorbei kam, hat der nette Holländer ihn gebeten, mir die Kirche aufzuschließen. Sie war wirklich in schlechtem Zustand und sehr feucht. Trotzdem war sie ein Ort der Besinnung.
Es gibt unterwegs auf Reisen immer etwas, das noch vor einem liegt. Das will auch geplant sein, aber es sollte einen nicht ständig mit Sorge erfüllen. Der Gedanke, dass ich jetzt hier war, wo ich war, erfüllt mich jedes Mal mit Dankbarkeit darüber, dass bis hierher alles gut gegangen war, dass ich gesund war, die Kraft für die Strecke hatte, dass ich bereits so viel gesehen hatte und vielen netten Menschen begegnet war. Und das stimmt ja nun für jeden Augenblick des Lebens.

In Échevannes habe ich an der kleinen Brücke am Waschhaus Mittag gemacht. Die Waschsteine waren direkt am Bach.

Ein Mann sprach mich an. Wie viele andere nette Leute auch, äußerte er sich bewundernd über meinen Mut, eine so lange Reise alleine zu unternehmen. Viele fragten nach der Familie. Die Frau des deutschen Pilgers hatte ihm geraten, gleich los zu laufen, da er es sonst sicher nicht mehr machen würde. Auch ich war sehr dankbar, dass meine Frau meine Tour mittrug.

Bis Dijon wird die Landschaft immer weiter und die Hügel flacher.

Erst sieht man die Ausläufer von Dijon auf der Höhe liegen, dann, von Fontaine-lès-Dijon aus hat man einen weiten Blick über die Stadt.

Die Kathedrale war wegen einer Beerdigung geschlossen, draußen war überall Polizei. Muss jemand Wichtiges gewesen sein. Die Trauergemeinde war aber sehr übersichtlich. Von einer Tischnachbarin im Café erfuhr ich, dass die Kathedrale bis 18 Uhr gesperrt sein würde.

Ich bin durch die Stadt geschlendert und in die Kirche Notre-Dame gegangen.

Zurück an der Kathedrale war er doch schon wieder offen. Ich habe mir am Verkaufsstand noch einen schönen Stempel geben lassen. Und die Krypta durfte ich als Pilger umsonst besichtigen.
Auf dem Weg aus der Stadt, die erstaunlich viele Radwege hat, bin ich an einem Radladen vorbei gekommen und habe die Reifen wieder beide auf 5 bar aufgepumpt. WD40 Öl hatten sie aber leider nicht.

Das Motel lag im wenig ansprechenden Industriegebiet. Es waren mit vielen Urlauber auf der Durchreise belegt und nicht auf Radler eingestellt: Das Rad musste ich draußen am Zaun anketten.
VI. Burgund und Haut Beaujolais
Von Dijon bis Cluny führt die Route an den Hängen der Côte d’Or entlang über Beaune nach Chalon. Von dort kann man der Voie Verte auf der alten Bahntrasse bis Cluny folgen. Dann gilt es die Berge des Haut Beaujolais zu erklimmen, um in das Tal der Haute-Loire nördlich von Roanne zu gelangen.
Tag 10 – Marsannay-la-Cote – Saint-Gengoux-le-National – 100 km, 460 Hm

Es war ein sehr warmer Tag angekündigt, daher war ich schon um halb neun auf dem Rad. Die Straßen waren sehr gut geteert, es gab keinen Wind und keine starken Steigungen, die mich bremsten. Es ging durch alle Weinorte am Hang zwischen Dijon und Beaune.

In Nuits-Saint-Georges war ich in der kleinen Kirche Saint-Symphorien. Sie wurde gerade für eine Hochzeit mit Blumen geschmückt. Auch wenn sich nicht immer eine große innere Ruhe einstellt, so tut es doch einfach gut, einmal am Tag einfach nur da zu sitzen.

Einige Dörfer weiter habe ich gewartet, bis ein Mann seine Frau vor Brunnen und Rathaus fotografiert hatte und habe sie dann gebeten, mich zu fotografieren.

Kurz nach elf war ich in Beaune, wo alles voller Marktstände war.

Erst hab ich eingekauft, dann bin ich in die Kathedrale und zum Hotel-Dieu. Gegen eins bin ich mit viel Elan weiter. Es war sehr heiss. Überall war die Weinlese schon im Gange.

Der Radweg führte aus den Hängen ins Tal und ein sehr schönes Stück an einem Kanal entlang.
Natürlich habe ich vor lauter Schwung die Abfahrt verpasst und musste einige hundert Meter zurück. Vom Café in Givry aus habe ich mehrere Hotels angerufen. Sie waren alle belegt. Irgendwo war an dem Tag eine große Hochzeit mit 400 Gästen. Ich habe dann beschlossen, bis zur Communauté de Taizé zu fahren, also gut 110 Tageskilometer. Dort würde ich als Pilger sicher für eine Nacht unterkommen.

Dann begann die Voie Vert auf der alten Bahntrasse. In Buxy gab es eine Touristeninformation direkt am Radweg. Die Dame dort hat ein Chambre d’Hôtes in Saint Gengoux-le-National gefunden und war froh, der Vermieterin einen Radpilger vermitteln zu können.

Das sehr schöne Zimmer war Teil einer Ferienwohnung in der ich mir das Bad mit einer französischen Pilgerin teilte.

Vor dem Abendessen war ich noch in der Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Auffällig an ihr ist auch die Brücke zwischen den beiden Türmen.
Tag 11 – Saint-Gengoux-le-National – Propières – 71 km, 1140 Hm

Über die Voie Verte waren die 13 km bis Taizé sehr zügig überwunden. Kurz vor dem Bahnhof von Cormatin saß die Zimmernachbarin bei der Rast. Ich konnte ihr noch den Tipp geben, über Ameugny zu laufen, um bis 10 Uhr zum Gottesdienst in Taizé zu sein

Ich war kurz nach halb zehn an der Kirche. Es tat gut, in vertrauter Umgebung zu sein. Der Gottesdienst war eine große Stärkung, das Singen ging mit den vielen Leuten viel leichter als alleine. Ich habe noch während des Glockengeläuts ganz viele SMSe geschrieben, vor lauter Freude, dort zu sein.

Als der Klosterladen aufmachte, hab ich noch drei Postkarten und 10 Briefmarken gekauft. Auf dem Weg zum Empfang rief die Zimmernachbarin hinter mir her. Sie hatte sich sehr beeilt und es zur Messe noch rechtzeitig geschafft. Taizé war ihr Etappenziel für heute.

Am Empfang habe ich einen Pilgerstempel bekommen und habe mich gegen 12 Uhr dann doch mal aufgemacht. Ich wollte nicht weg!

Auf der Voie Verte ließ es sich bis Cluny gut fahren, aber es war heiß und es kam böiger Wind auf. Am Bahnhof von Cluny habe ich Mittagsrast gemacht, musste aber den Kocher mit einem Sitzkissen vor Wind schützen. Er ging nicht einmal mit dem Piezozünder an, da musste das Sturmfeuerzeug ran.

Lange ging es sanft die Berge hinauf. Ich hab oft angehalten und Wasser getrunken, einmal auch zur Entspannung Yoga-Übungen gemacht. Die vorgeplante Wegführung auf dem Garmin war nicht optimal. Ich bin daher einfach auf der Departmentstraße geblieben, da sie den geplanten Weg wieder kreuzen würde.

Hinter Ouroux habe ich die Route auf dem Tablet umgeplant und konnte danach lange im Wald windgeschützt zum Col de Crie hinauf fahren und im Naturparkhaus eine Rast einlegen.

Der Anstieg auf 900m ging weiter über eine sehr schmale und teilweise sehr steile Forststraße, die aber immer fahrbar war.

Es kamen einige Autos vorbei und Wanderer. Ich wurde angefeuert und angesprochen. Oft fragten die Leute auch, ob ich ein Pedelec habe. Das gab auch immer wieder neuen Mut und mit einem großen Schluck Wasser alle paar hundert Meter war der Anstieg ganz gut zu schaffen.

Das Chambre lag unterhalb der Stadt Propières in einem Tal und war schlecht ausgeschildert. Ich bin nur wenige Meter daran vorbeigefahren und habe es nicht gefunden. Es war auf Google-Maps falsch eingezeichnet. Die Vermieterin hat mich per Telefon gelotst und ein zusätzliches Schild vor ihre Zufahrt gestellt. Endlich dort wurde mein Rad bewundert und mir ein kühles Bier angeboten, was ich sehr dankbar angenommen habe.
Es gab vier Gänge für uns, das Gastgeberpaar, zwei französische Fußpilgerinnen und mich. Dazu einen Weißwein-Aperitif und später Rotwein. Hauptgang war Kartoffelgratin und darauf Lachs: sehr lecker. Der Konversation auf Französisch bin ich, so gut es ging, gefolgt.
Tag 12 – Propières – Renaison – 78 km, 885 Hm

Oben in Propières gab es einen kleinen Laden in dem ich meine Einkäufe erledigen konnte. Von dort ging es weiter hinauf nach Echarmeaux, wo eine Napoleon-Statue weit in die Berglandschaft schaut.

Nach dem Aufstieg nach Thiel ging es weiter nach Le Cergne, wo ich kurz nach zwölf in der schattigen Bushaltestelle vor der Kirche Mittagsrast gehalten. Es bot sich mir ein weiter Blick in das Tal der Haute-Loire.

Bis Charlieu ging es im Wesentlichen bergab und ich bin einfach zügig gefahren. In Pouilly-Sous-Charlieu vor der Brücke über die Loire zeigte ein Thermometer 40,5°C. Es war wirklich heiß. Und der Wind kam, wie gewohnt, von vorne.

Trotz heraufziehender Gewitter reichte die Muße noch für einen kurzen Blick in die Zisterzienserkirche in La Bénisson-Dieu.

Am Horizont waren nun schon heftige Regengüsse zu sehen. Kurz drehte der Wind und schob mich, kam dann aber wieder von Süden und war sehr unangenehm. Ich musste wirklich kämpfen, weil ich die restlichen Kilometer ohne nass zu werden schaffen wollte.

Um halb fünf war ich schließlich trocken am Hotel, um halb sechs begann es zu regnen. Auch für den nächsten Tag war Regen gemeldet.
VII. Von der Loire auf die Aubrac-Hochebene

Die ganze Gegend ist mit Vulkankegeln gespickt, kleinen und großen. Mal passt nur eine kleine Kirche, eine Burg oder ein Kloster darauf, mal eine ganze kleine Stadt. In Le-Puy-en-Velay selbst gibt es mehrere solcher Kegel, die mit Kirchen und Statuen gekrönt sind. Danach beginnen die Hochebenen des Zentralmassivs.
Tag 13 – Renaison – Champdieu – 69 km, 620 Hm
Um neun begann es leicht zu regnen als ich gerade das Gepäck auf dem Rad hatte. Also habe ich umgepackt und zum ersten Mal den regendichten Packsack für den Rucksack und die Gürteltasche eingesetzt.

Es war schön frisch und der Wind kam von hinten, also super. Aber bald nahm der Regen zu, ich musste auch Regenhose und Überschuhe anziehen. So bin ich bis nach St. Maurice et St. Jean gefahren.

Dort habe ich in der einzigartigen alten Pilgerstadt oberhalb des Loire-Stausees Mittagsrast gemacht. Ab St. Jean hat es nicht mehr geregnet und der Rückenwind hat mich förmlich auf die nächste Anhöhe geschoben.

Den ganzen Anstieg hatte ich eine unglaublich schöne Aussicht über das Loire-Tal zu den Bergen im Osten und sicher hätte man ohne Wolken bei so einer klaren Sicht bis zu den Alpen sehen können. Zumindest kam es mir so vor.

Ich fühlte mich müde und hatte keine Lust mehr, gar keine. Da musste ich an Eckhard von Hirschhausen denken, der in solchen Situationen dazu anhält, sich zu fragen, wann man zuletzt gegessen und geschlafen hat. Ich habe also an der nächsten freien Bushaltestelle Kaffee gekocht und die Honigwaffeln gegessen, dazu die letzten Tomaten, Aprikosen und den letzten Apfel.

Danach ging es viel besser. An der auf einem Basaltkegel gelegenen Abtei Montverdun vorbei führte der Weg nach Champdieu.

Da ich zu früh dran war, hatte ich noch Zeit durch die von einer Mauer umgebene mittelalterliche Stadt zu laufen und in die innen fast dunkle romanische Kirche zu gehen. Dort hätte ich noch lange sitzen können. Die Kirche sah sehr wehrhaft aus.

Wieder war das Chambre schwer zu finden. Es hat eine Zeitlang gedauert, bis ich das Schild und die Muschel an dem Haus bemerkte.
Es begrüßten mich ein netter ca. sechzigjähriger Mann und eine deutlich jüngere Frau. Beide wirkten sehr nett. Platz für das Rad war in der Garage im Erdgeschoss. Die Wohnküche war im ersten Stock, das Schlafzimmer unter der etwas niedrigen Dachschräge, Dusche und Toilette neben der Wohnküche. Es war alles sehr einfach, aber in Ordnung und kostete nur 25€ inklusive Halbpension.
Kurz vor dem Abendessen erschienen noch zwei Freunde der Gastgeber auf ein Bier. Als sie gegangen waren, haben wir zusammen gegessen und uns gut unterhalten. Die Gastgeber rieten mir noch sehr dazu, auf der nächsten Etappe Montarcher anzufahren.
Tag 14 – Champdieu – Bellevue le Montagne 71 km, 1460Hm

Von Champdieu aus bin ich zuerst nach Montbrison reingefahren, um Verpflegung zu kaufen.
Hinter Montbrison begann der Anstieg auf einer gut ausgebauten Departmentstraße mit super glattem Teer und bei leichtem Rückenwind. Das zaubert trotz der Anstrengung immer wieder ein Lächeln auf die Lippen. Unterwegs lagen zwei Bergkegel mit Kirchen oder Burgen darauf am Weg.

Nach Saint-Jean-Soleymieux hätte ich wohl besser die befahrene Departmentstraße nehmen sollen, denn der Wirtschaftsweg war sehr lange sehr steil. Aber mit Pausen alle 100 Meter war er auch fahrbar. Die Aussicht hinunter auf das Loire-Tal wurde immer weiter und faszinierender.

Auf etwa 1000m Höhe wurde es etwas flacher und bei 1100m kam die Überquerung des Kamms und kurz darauf die erste Abfahrt und bald der Hinweis auf den Montarcher. Vor der Kapelle in La Chapelle-en-Lafaye saßen Pilger bei der Rast die grüßten.

Der Pilgerwegweiser zeigte auch hinauf zum Berg, es musste also eine gute Idee sein. 60 Höhenmeter Anstieg klangen machbar, aber ich musste zickzack auf dem schmalen Sträßchen fahren, um ihn zu bewältigen.

Auf dem Berg gab es nur wenige Häuser, eine Mairie, eine Post(!), ein ehemaliges Kloster und die alte Pilgerkirche. Überall war die Muschel zu sehen.

Der Ausblick vom Platz vor der Kirche war wirklich umwerfend. Auf dem Tableau war sogar der Mt. Blanc verzeichnet. Dafür reichte es heute aber nicht. Ich konnte mich kaum satt sehen. In der Kirche habe ich wieder für mich gesungen und danach gegessen und telefoniert.

Nach einer rasanten Abfahrt ging es zunächst, natürlich, wieder bergauf, dann aber die nächsten 25km auf der Hochebene auf ca. 950m durch feuchte Wiesen, Bachaue und Wälder. Nur ein Taleinschnitt musste bewältigt werden. Die Landschaft ist wirklich wunderschön.

In Craponne-sur-Arzon fand ich einen Salon De Thé und ein unheimlich leckere Johannisbeertörtchen. Die Konditorin war sichtlich verlegen, als ich ihr sagte, wie köstlich ich es fand.
Das Tagesziel Bellevue-la-Montagne sah man von weitem, ich wollte es aber nicht glauben, dass es noch so weit und so hoch sein würde.

Am Ende musste ich nach einer kurzen Abfahrt noch einmal fast 100m hinauf. Da war ich echt geschafft und froh, als ich das Hotel schließlich gefunden hatte.

Nach dem Abendessen bin ich noch mit zwei Leuten ins Gespräch gekommen, die Deutsch sprachen, einer mit französischem, einer mit schwäbischem Akzent. Es stellte sich heraus, dass der Schwabe zur Wartung des riesigen neuen Sägewerks angereist war, das ich einige Kilometer vor Bellevue so interessant gefunden hatte, dass ich ein Foto gemacht habe.
Tag 15 – Bellevue le Montagne – Monistrol d’Allier – 59 km, 1030 Hm

Am nächsten Morgen war es feucht und kalt. Nun waren überall Basaltkegel zu sehen.

Ich bin auf den Burgberg von Polignac zu: Muss ich da wirklich rauf? Jedenfalls war die Basaltkirche sehr schön und ich hatte sie lange für mich alleine. Auch sie liegt am Jakobsweg. Es nieselte leicht als ich wieder aufbrach.
Auf dem letzten Anstieg vor Le Puy habe ich mir eine trockene und ruhige Bushaltestelle zum Telefonieren gewünscht. Unglaublich, aber wahr: Es lag eine Haltestelle rechts an der Straße, genau am letzten Punkt vor der Abfahrt. Nur dass sie leider von dem jungen Pilger besetzt war, der mir in Polignac über den Weg gelaufen war. Wir haben sie uns geteilt, bis der Regen vorbei war.
Der Pilger war in Krakau gestartet und hatte nur einen Monat bis dorthin gebraucht. Er war ca 40km pro Tag gelaufen. Übernachtet hatte er oft mit seinem kleinen Zelt im Wald. Er hatte sich vier Monate von der Arbeit frei genommen und wollte bis nach Finistère. Es war sehr nett, mal wieder eine flüssige Unterhaltung auf Englisch führen zu können.

Nach Le Puy ging es dann in einer Schussfahrt hinab. Die Kirche St. Michel auf der Felsnadel, der riesige Dom und die Statuen Notre-Dame und Saint Joseph sind sehr beeindruckend.

Es waren viele Stufen bis zur Kathedrale hinauf. Ich war völlig überrascht, dass die Treppe so weit unter die Kirche führte und am Ende vor dem Chor im Mittelschiff endete.

Der Raum mit riesigen Kuppeln überwölbt ist im Wesentlichen ein einziger Schrein für die schwarze Madonna, deren Original in der französischen Revolution zerstört worden ist.

In der Kirche findet sich auch eine berühmte Statue des pilgernden Jakobus.
Auf der Felsnadel über der Kathedrale thront Notre-Dame de France. Die rote Dame mit Kind ist begehbar. Da ich nun einmal auf jeden Turm muss, habe ich die 4 Euro für den Eintritt gezahlt. Die Aussicht war wirklich sehr beeindruckend. Langsam hörte auch der Regen auf und die Sonne kam etwas durch.

Der Kopf der Dame hat ein Loch mit einer Glaskuppel durch die man hinausschauen kann!

Bei der Ausfahrt aus der Stadt auf die Hochebene hat der BRouter wieder seine Vorliebe für extrem steile Steigungen bewiesen. Ich war echt froh, als das zickzack Fahren auf dem schmalen Sträßchen vorbei war.

Auf der Hochebene angekommen bot die Dorfbar in Séneujols eine stärkende Rast. Mit frischem Mut ging es rauf auf über 1100m.

Vor Montbonnet liegt eine dem heiligen Rochus geweihte Feldkirche, die zu einem kurzen Stopp einlud.

Dann kam die 12km lange Schussfahrt nach Monistrol d’Allier hinab, auf der der Fahrtwind meine nasse Kleidung getrocknet hat.
Das Hotelzimmer hätte schöner sein können, dafür war das Abendessen ein wirklicher Genuss!
Tag 16 – Monistrol d’Allier – Aumont-Aubrac – 63 km, 1420 Hm

Am nächsten Morgen war die Luft sehr frisch. Für den Anstieg aus dem Allier-Tal habe ich die große Straße genommen, die mit 4 – 6 % Steigung gut zu fahren war.

Nach dem ersten Pass mit grandiosem Ausblick auf die Aubrac-Hochebene habe ich oberhalb von Saugues am Picknickplatz an der großen Notre-Dame de Gévaudan meinen Kaffee gekocht und bin danach hinunter in die Stadt.
Nach dem bei Windstille sehr schnell gekochten Kaffee bin ich hinunter in die Stadt.

Vor der Kirche fing eine alte Dame die Pilger ab. Sie vergibt in ihrem kleinen Haus neben der Kirche die Pilgerstempel. Ich traf drei österreichische Pilger, die auch schon viele Radtouren gemacht hatten.

Danach endlich weiter Richtung 1300m-Pass. Unterwegs bin ich über eine frisch geteerte Strecke gefahren.
Da ich schon die ganze Zeit begeistert von der hervorragenden Qualität der Straßenbeläge selbst auf den kleinsten Dorfsträßchen war, habe ich die Teermaschine fotografiert. Allerdings hatte ich danach 30 km lang Teer und Split auf den Reifen kleben.
Beim Kaffee in Chanaleilles kam ein Deutscher Pilger an, der gar nicht bemerkte, dass ich Deutsch mit ihm redete. Er war aus Ulm und schwäbelte stark, da hat ihn das Hochdeutsch wohl verwirrt. Er war am Mittwoch mit ca. 100 anderen aus der Pilgermesse in Le Puy aufgebrochen und den ersten Tag in Pulks gelaufen. Erst danach habe es sich verteilt.

Vor der Passhöhe habe ich noch zwei Frauen mein letztes Wasser in den dampfenden Kühler ihres Autos gefüllt. Sie waren sehr dankbar, dass jemand angehalten hat. Ich hoffe, es hat geholfen.

Bald war ich auf dem Pass und an der Wallfahrtskirche St. Roche.

Der pilgernde Rochus ist mit seiner Oberschenkelwunde und seinem Brot bringenden Hund überall auf der Hochebene präsent.

Dann folgte eine sehr schöne Abfahrt nach St. Alban-sur-Limagnole. Dort war fast jedes Haus eine Gite und die Muschel war omnipräsent. Am Pilgerweg gab es gute Infrastruktur, Rastplätze und Wasserstellen.
Es ging noch durch zwei Taleinschnitte, dann war Aumont-Aubrac auf über 1000m erreicht.

Das Hotelzimmer war sehr schön, das Essen sehr schmackhaft, vor allem das Fleisch der berühmten Aubrac-Rinder.
VIII. Auf der Via Podiensis

Zwischen der vulkanischen Ebene bei Le-Puy und der Garonne gibt es noch die Granit-Ebene des Aubrac, die karstige Quercy und eine Schieferebene. Tiefe Schluchten trennen die Hochebenen, in die man immer wieder hinabsausen und sich dann wieder herausarbeiten darf.
Tag 17 – Aumont-Aubrac – Estaing – 78 km, 800 Hm
Heute lag der höchste Pass Col d’Aubrac mit 1340m lag vor mir.

Auf diesem Streckenabschnitt liefen auch die Fußpilger auf der kleinen Teerstraße und so konnte ich sehen, wie viele es waren. Ich war froh, auf dem Rad zu sein und das Gepäck nicht auf dem Rücken zu haben.

Nach 15km sah ich in einem kleinen Dorf ein Hinweisschild für eine Patisserie. In der Bar, wo ich das Pain au Chocolat gegessen habe, habe ich mich lange mit einem belgischen Radpilger und einem Englisch sprechenden Franzosen unterhalten.

Nach dieser schon recht ausgiebigen Pause ging es bei richtig kalter Luft und leichtem Rückenwind den Pass hoch. Oben am Pass traf ich den Belgier wieder. Wir haben gegenseitig Fotos gemacht und uns an der unglaublich weiten Aussicht erfreut.

Es war kaum 10 Grad und sehr windig. So ging es bis zum Kloster Aubrac, wo viele Pilger in den Restaurants Zuflucht suchten.
Ich bin nach einer wärmenden Pause auf der großen Straße geblieben, bis ich nach fast einem Kilometer bemerkte, dass ich laut geplanter Route in Aubrac die Abzweigung ins Tal hätte nehmen sollen. Ich bin also zurück und bin die kleine Straße hinunter gebrettert, musste aber sehr auf den Splitt auf der Straße aufpassen.

Der kleine Ort Saint-Chely-d’Aubrac war zwar malerisch, ich hätte aber auf die 300 zusätzlichen Höhenmeter gerne verzichtet, die ich anschließend wieder zur Hauptstraße hinauf musste. Aber ok, der Weg ist das Ziel, oder?
Die Hauptstraße brachte mich sehr schön schnell mit 40 bis 50 km/h auf 350m hinunter nach Espaniol ins Tal des Lot. Auch ein schönes altes Städtchen.

Die Strecke weiter nach Estaing hatte noch einige unnütze Höhenmeter und vor allem unschönen Gegenwind.

So war ich dann doch erst um sechs im Hotel. Das Städtchen präsentierte sich ganz lieblich im Abendlicht und das Hotelzimmer war sehr schön.
Tag 18 – Estaing – Decazeville – 64 km, 1175 Hm

Am Morgen war es mit unter 10 Grad wieder sehr frisch, aber sonnig. Der erste Anstieg ging gleich von 320m auf 660m und hatte die für so kleine Straßen üblichen sehr steilen Passagen.

Der GR65, den die Pilger in vielen kleinen Grüppchen liefen, nahm in den Serpentinen Abkürzungen, so dass ich manchmal langsamer als die Wanderer war. Es waren wirklich viele unterwegs.

In Espeyrac habe ich in der Dorfkirche mein kleines Pilgergebet gehalten und danach für einen Kaffee die Bar aufgesucht.Anschließend kam der zweite Anstieg von 370m auf 620m und eine lange Abfahrt Richtung Conques.

Noch vor der Stadt habe ich an der Straße Mittagspause gemacht und mal wieder lange mit zu Hause telefoniert.
Es waren nur noch wenige hundert Meter bis in die Bilderbuch-Stadt Conques.

Alle Häuser sind aus Schieferstein oder Fachwerk mit Schiefer und sehr schön restauriert. Farbe gibt es keine, nur an Schildern oder Schaufenstern.

Die sehr schmale und hohe Abteikirche Sainte Foy aus dem elften Jahrhundert hat noch ein Tonnengewölbe, ist aber schon sehr hell, hat Säulendienste und eine Chorumgang.

Das Tympanon ist eine ganze Predigt. Es standen geführte Gruppe für mehr als eine Viertelstunde davor.

Auch dann folgte ein langer Anstieg von 230m auf 660m hinauf. Der kalte Wind war recht stark und kam meist von der Seite oder von vorne. Die Belohnung war eine umwerfende Fernsicht. Die fast 1800m hohen Vulkangipfel bei Puy-de-Dome waren am Horizont sehr gut zu sehen.

Nach Decazeville ging es erst langgezogen, dann steil bergab. Der Ort wurde seinem schlechten Ruf als industriell geprägte Bergarbeiterstadt gerecht. Das Hotel war nicht schön, aber akzeptabel.
Tag 19 – Decazeville – Limogne-en-Quercy – 67 km, 1065 Hm

Um zwanzig nach acht war ich auf dem Rad. Der Lohn für den frühen Start war gleich am Anfang der Frühnebel im Lot-Tal, das unter mir lag. Die Abfahrt war extrem kalt und ich konnte mit den feinen Nebeltröpfchen auf der Brille fast nichts sehen. Gleich um die nächste Flussbiegung war der Nebel aber auch schon weg. Dort ging es dann auch über die Brücke und lange den Berg hinauf. Hier war es wieder das Schiefergestein wie in Conques.

Nach der Anhöhe kam ein weites Tal und gleich am Anfang eine alte Kapelle mit wunderbaren Fresken, wo ich mein Pilgergebet gehalten habe.

Danach ging es wieder auf eine Anhöhe und dann eine lange Abfahrt hinunter nach Figeac. Gegen elf war ich dort und habe die enge, sehr hübsche alte Innenstadt mit dem Rad erkundet. In der ehemaligen Abteikirche habe ich die täglichen zwei Kerzen angezündet.

Dann musste ich mich losreißen.Leider hatte ich vergessen Brot einzukaufen. Glücklicherweise gab es welches in einer Bar in Béduer, wo ich beim Aufstieg auf die Causses de Quercy Rast gemacht habe.

So gestärkt ging es weiter hinauf und schließlich mit enormem Tempo hinunter nach Cajarc am Lot. Dort habe ich mir einen Pilgerstempel geholt und in der Apotheke Magnesiumtabletten nachgekauft.

Der anschließende Weg zur Lot-Schleife und zurück hinauf zur Hochfläche ließ sich gut fahren, mache Wellen sogar mit Anlauf im hohen Gang.

In Limogne-en-Quercy hatte ich ein wunderschönes Zimmer mit eigenem Bad und weitem Blick über die Ebene. Dort übernachteten auch zwei deutsche Pilgerinnen, die den guten Gepäck- und Transportservice des Compostel-Busses auf der Via Podiensis nutzten und so viel leichter voran kamen.
Tag 20 – Limogne-en-Quercy – Montcuq – 72 km, 1060 Hm

Um halb neun ging es weiter über die karstige Hochebene der Quercy. Unterwegs findet man noch eine ganze Reihe der alten steingedeckten Rundhütten, die Schafhirten als Unterschlupf dienten.

An diesem Tag habe ich auch endlich in einem Carrefour das dringend benötigte WD40 bekommen und meine Schaltung geölt, die sich danach wieder gänzlich ohne Probleme bewegen ließ.

So bin ich auf und ab in der strahlend blauen Luft durch das karstige Hochland mit Eichenwäldern, alten langen Trockensteinmauern und ersten Weinbergen.

In Cahors gab es die mittelalterliche Wehrbrücke mit ihren vielen Rundbögen und den drei Türmen darauf zu bewundern. Nach dem Picknick im Park am zentralen Platz bin ich zur Kathedrale.

Mit den beiden großen Kuppeln über dem Mittelschiff ist sie schon von außen eine sehr außergewöhnliche Erscheinung.

Innen dominieren dann auch die weiten Kuppelbögen, senkrechte Linien gibt es nur wenige.

Die um den Altarraum stehenden Wächterengel fand ich auch sehr beeindruckend.

Der Weg aus Cahors hinaus war etwas kompliziert, da ich auf dem kleinen Sträßchen plötzlich vor einer Absperrung stand, die nur sehr schwer zu umgehen war. 200m weiter war die Strecke wieder gut befahrbar und bei warmen Temperaturen und ohne Gegenwind (!) ging es über Labastide-Marnhac weiter nach Montcuq.

Ich war schon um halb fünf dort und hatte noch Zeit, die hübsche Altstadt zu besichtigen.

Sie liegt auf einem Berg und wird von einem einsam stehenden Burgturm überragt.Mein Zimmer war aus dem vorigen Jahrhundert, inklusive maroder Elektrik und großer Feuerstelle. Das Haus war fast leer und ich konnte den Balkon eines andern Zimmers zum Wäschetrocknen nutzen.
Es war ein schöner warmer Spätsommerabend und so konnte ich das Abendessen draußen auf dem zentralen Platz genießen.
IX. Vom Canal du Midi in die Pyrenäen

An der Benediktinerabtei Saint-Pierre de Moissac war meine letzte Station auf der Via Podiensis. Von dort bin ich in der flachen Landschaft den Kanälen bis zum Einstieg in die Pyrenäen gefolgt. Der Kanal steigt um wenige Meter pro Kilometer ganz sanft in Richtung Mittelmeer an.
Tag 21 – Montcuq – Toulouse – 117 km, 650 Hm

Auch dieser Morgen begann mit kühler Luft aber strahlendem Sonnenschein, der bei der Fahrt auf den gegenüber liegenden Hügel auf die Stadt und die Sonnenblumenfelder fiel.

Nach all den Hügeln der letzten Tage war es eher Sturheit die mich trieb, den Hügel von Lauzerte zu erklimmen. Ein wunderschöner mittelalterlicher Marktplatz mit hübscher kleiner Kirche war die Belohnung für die Anstrengung.
Wieder auf der Route gab es noch einmal eine Stelle, an der ich besser statt der Pilgerstrecke die Hauptstraße genommen hätte. Der Teerweg endete plötzlich, ich musste über eine Obstwiese und durch ein einsames Gehöft mit zwei laut bellenden, aber zum Glück angeketteten Hunden.
Danach habe ich mich auf große Straßen beschränkt und bin schon kurz nach zwölf in Moissac gewesen.

Neben Conques ist Moissac die bedeutendste Pilgerstadt auf der Via Podiensis.

Die ehemalige Benediktinerabtei Saint-Pierre de Moissac ist der zentrale Anlaufpunkt. Die Kirche ist innen ganz bemalt und wirkt außen sehr wehrhaft.
Es waren viele Besucher in der Stadt. Endlich gab es unter ihnen auch viele Radfahrer mit Gepäck.

Trotz des Hinweises in der Touristeninformation, dass der Kanalradweg gesperrt sei, bin ich zur berühmten Kanalbrücke am Tarn. Ein englisches Ehepaar kam mir dort entgegen und erklärte mir, dass der Radweg bis auf wenige Stellen gut passierbar sei.

Es lagen wirklich viele Bäume auf der Seite, nach außen, auf dem Radweg oder im Wasser. Einmal musste ich das Rad über einen Baumstamm heben und einige Male sehr knapp am Wasserrand vorbei um einen umgestürzten Baum herum.

Da ich trotz der Hindernisse zügig vorankam, habe ich in Grisolles beschlossen, gleich weiter bis Toulouse zu fahren. Die Touristeninformation dort sollte um sieben schließen. Innerhalb von 90 Minuten waren die 30km bewältigt, ich war wirklich schnell. Leider konnte mir die Touristeninformation dann doch nicht bei der Zimmersuche helfen und so habe ich mit dem letzten Rest des Handyakkus über Booking.Com ein Hotel gebucht.

Das Zimmer war sehr luxuriös. Weil der PC an der Rezeption abgestürzt war, hat es am Empfang aber sehr lange gedauert. Und als ich unter der Dusche stand, kam ein amerikanisches Ehepaar in mein Zimmer. «Oh my god», rief die Frau, als sie mich sah und die beiden verschwanden wieder.
Vom Zimmer hatte ich einen schönen Blick über die Stadt und auf die Kathedrale.
Tag 22 – Toulouse – Malegoude – 80 km, 435 Hm

Da es am nächsten Morgen nieselte, beschloss ich, es bei dem Blick auf die berühmte und wunderschöne Kathedrale von Toulouse zu belassen und bin gleich auf den Kanalradweg und raus aus der Stadt. Die quälenden Kopfschmerzen, mit denen ich aufgewacht war, hatte ich mit ASS und zusätzlichem Espresso behandelt.

Es nieselte eigentlich den ganzen Vormittag, aber die riesig hohen Platanen entlang des Canal du Midi schirmten den Regen ab und so konnte ich sehr schön vorankommen.

Unterwegs traf ich viele Einzelreisende und Gruppen von Radfahrern, die auf dem Kanalradweg unterwegs waren. Ich war jetzt nicht mehr bei den Fußpilgern sondern bei den Radreisenden. Mit einem älteren Franzosen, der schon viel auch in Deutschland geradelt war, habe ich mich länger unterhalten und gefachsimpelt.
Auf dem Radweg hatte ich dann eine unangenehme Begegnung mit freilaufenden Hunden. Einer verfolgte mich böse knurrend und ich musste Gas gegeben, um ihm zu entkommen.

Nach ca. 35km ging es vom Kanal auf die Landstraße und ganz lange sanft durch weite Täler hinauf. Aber zu meiner großen Freude war mir Petrus hold und schenkte mir Rückenwind, worüber ich grinsen musste. Es ging durch ein welliges Land mit riesigen Feldern, meist Mais oder Sonnenblumen, die aber fast schwarz waren und nicht schön aussahen. Mit einzelnen großen Höfen auf den Bergspitzen sah es toskanisch aus. Es fehlten nur die Zypressen.
Die kleine Department-Straße war sehr gut zu fahren, die Autos und LKWs überholten mich sehr achtsam. Ich sang und pfiff vor mich hin. Heute gab es kein Pilgergebet in einer Kirche, die Landschaft war meine Kirche.

Der kurze Anstieg zum Hotel war noch einmal bissig, die Aussicht auf die Pyrenäenberge dafür aber grandios. Das junge englische Hotelierspaar und ihre kleinen Kinder waren sehr nett und das Essen vorzüglich.
Tag 23 – Malegoude – Espezel – 49 km, 695 Hm

Bei wunderbar sonnigem Wetter ging es am nächsten Morgen in die Berge. Die Strecke hinauf nach Mont-Louis führte nur durch kleine Orte, es gab nicht viele Übernachtungsmöglichkeiten. Wegen der müden Beine war ich aber froh, dass heute nur knapp 50km zu fahren sein würden.

Über Camon ging es nach Chalabre in Richtung Puivert. Wieder gab es keine schöne Bank zum Rasten und so war ich froh als ich einen großen Stein am Wegrand fand, der sogar etwas windgeschützt lag.

Trotz der Stärkung ging es danach nur mühsam voran, bis mir klar wurde, dass es einfach an der starken Steigung liegen könnte. Auf der flacher verlaufenden Hauptstraße lief es dann auch gleich viel besser.

Ich bin am Rand der Hochebene von Puivert im Wald ganz gemütlich aufgestiegen, es fuhr sich richtig leicht. Auf ca. 800m ging es eng am Fels entlang, es tat sich kurz ein wunderbarer Blick über die Ebene auf, dann ging es durch einen Tunnel aus dem Tal hinaus und weiter aufwärts Richtung Sault-Hochebene.

Die Sault-Ebene ist berühmt für viel Wald und Kartoffeln. Im Hintergrund war der Canigou zu sehen und ich musste daran denken, wie oft ich schon zu ihm zu Fuß und mit dem Rad ausgestiegen bin. Er bedeutet mir etwas und so fühlte ich mich von ihm angezogen und begleitet.

Plötzlich war ich in dem kleinen Ort Espezel, meinem heutigen Etappenziel. Das Hotel war sehr einfach, auch das Essen und entsprach damit den mageren Bewertungen im Internet. Aber es alles da, was ich brauchte. Ich hatte noch viel Zeit zum Telefonieren und beim Abendessen wurde ich von einer lautstark erzählenden Gruppe von Engländern gut unterhalten.
X. Über die Pyrenäen ans Meer

Die Hochebene Cerdanya mit der spanischen Enklave Llívia liegt zwischen 1100m und 1500m hoch. Man kommt über den Coll de la Quillana (1713m) auf die Alta Cerdanya bei Mont Louis und fährt dann hinab in den spanischen Teil. Aus diesem führt eine Passstraße auf den Coll de la Creueta (1888m) in den Süden und durch die Vorgebirge in Richtung Meer. In den Vorgebirgen gibt es mehrere sehr idyllische Naturparks in denen es sich wunderbar Rad fahren lässt.
Tag 24 – Espezel – Rieutart – 42 km, 1220Hm

Ich war um zwanzig nach acht auf dem Rad. Der Morgennebel lag noch über der Ebene.

Kurz hinter Espzezel musste ich in einen über 200m tiefen Taleinschnitt in dem der Nebel noch für feuchte Kälte sorgte. Bei 10% Steigung auf der kleinen Straße, die wieder hinauf auf die Ebene führte, wurde mir aber gleich wieder warm.

In Rondome habe ich Briefmarken gekauft, Brot gab es leider keines, das hätte ich in Espezel kaufen müssen.
Aus der Hochebene hinaus ging es über den Randkamm, der schon knapp bei 1000m lang. Dahinter brach die Ebene plötzlich ab.

Es folgte eine wunderschöne sehr lange Abfahrt in ein sehr steiles schroffes Tal. Links ging es hunderte Meter senkrecht bergab. Wieder gab es zwei Felstunnel. Die Straße war sehr schmal und ganz ohne Autoverkehr.
Es ging runter auf ca. 700m zum Chateau d’Ussus. und dann in einer Serpentinenstrecke wieder hinauf nach Rouze.

Inzwischen war es sonnig und warm und vom angekündigten Regen war noch nichts zu sehen.
In Querigut habe ich eingekauft und Kaffeepause gemacht. Für die Mittagsrast habe ich wieder mit einem Platz am Straßenrand vorlieb nehmen müssen. Gerade als ich loswollte, begann es kurz zu nieseln.
So habe ich mich auf über 1400m hoch gearbeitet. Dann kam noch einmal eine Delle und dann die weite Hochalmebene von Puyvalador. Hier wehte der Wind heftig gegen mich an.

Ich war sehr früh dran, aber weder in Puyvalador noch im winzigen Rieutort, meinem Etappenziel, gab es eine Bar. Das Wetter war wieder Erwarten gut, ich hätte locker bis zum Wintersportort Formigueres weiterfahren können.

Nachdem ich einige Zeit auf einer Bank vor der Dorf-Mairie gewartet hatte, traf ich den sehr freundlichen Vermieter dann an. Er spendierte mir ein kühles Bier und seine Frau stellte mir noch schnell ein Abendessen zusammen, da sie beide verabredet waren. Ich hatte das Haus für mich und Zeit zum Schreiben und Planen.

Am späten Nachmittag begann es dann doch noch heftig zu regnen und ich freute mich sehr darüber, dass meine Radklamotten im warmen Heizungskeller hingen. Am nächsten Tag standen die zwei Pyrenäenpässe auf dem Programm. Ich wollte bis nach Spanien kommen.
Tag 25 – Rieutart – Campdévanol – 103 km, 1460 Hm

Es war kurz vor neun als ich aufbrach. Ich hatte beim Frühstück noch nett mit dem Vermieter auf Englisch erzählt. Die Wolken sahen noch etwas bedrohlich aus und es wehte ein heftiger Wind.

Bei einem kurzen Telefonat versicherte mir mein Sohn, dass er mich in vier Tagen in Barcelona abholen würde.
In Formigueres konnte ich, obwohl es Sonntagmorgen war, alle Einkäufe erledigen. Es wäre wirklich ein sehr gutes Etappenziel gewesen.

Von dort ging es entlang der breiten Passstraße hinauf zum Coll de la Quillana, vorbei am Aude-Stausee beim sehr verstreut liegenden Wintersportort Les Angles.

Vom Pass aus bot sich ein wunderbares Bergpanorama. Ich war jetzt wirklich in den Pyrenäen, alleine, mit Gepäck, von Bonn aus. Welch eine Reise! Mont Louis ist immer noch nur die Festung von Vauban mit einer für Zivilisten offenen Vorstadt, die aber auch von Festungsmauern umgeben ist.
Von dort aus ging es fast 500 Höhenmeter bergab. Der Wind war aber so stark, dass ich die ganze Zeit treten musste.

An keiner Stelle gab es einen klaren Hinweis, dass ich in Spanien angekommen war. Llívia ist eine kleine spanische Exklave, aber das war mir auch nicht so recht klar. Jedenfalls war ich irgendwann in Spanien, ohne es recht gemerkt zu haben.

In Escadarcs habe ich an der windgeschützt liegenden Quelle der Heiligen Eulalia Mittagsrast gemacht.

Mit dem Einstieg in das Tal des Riu d’Alp kam der Wind im Wesentlichen von hinten, was mich sehr gefreut und beflügelt hat. Es war recht wenig Verkehr auf der Passstraße und so kam ich zügig bis La Molina hinauf.

Dann kam ein Abschnitt mit 10% und mehr Steigung, um den Tunnel bei Super Molina zu vermeiden. Danach ging es aber wieder auf dem Randstreifen der großen Passstraße angenehm hinauf.

Ich bin kurz vor dem Toses-Pass auf die BV4031 in Richtung Coll de la Creueta abgebogen und wurde dafür gleich mit dem Bild einer Gruppe von mehr als zehn über mir kreisenden Geiern belohnt. Manche waren sehr hoch, einige flogen über meinem Kopf recht nahe und sehr groß.

Jetzt fuhr ich in ein weites Hochtal mit kahlen Wiesenhängen auf denen mal Kühe, mal eine Herde von Pferden grasten. In einer Delle habe ich wieder 100 Höhenmeter eingebüßt, aber jetzt hatte ich bis auf sehr kurze Abschnitte richtig starken Rückenwind.

Auf dem Pass habe ich vor Begeisterung eine Unmenge Fotos geschossen und mich von einem Spanier fotografieren lassen.
Es war ungeheuer windig und kalt dort oben. Für die Abfahrt musste ich mich sehr gut einpacken und konzentriert fahren, da der Wind oft in Böen kam.

Der Blick in die weiten Bergketten der Pyrenäen war fantastisch.
Weiter unten bin ich auf eine kleinere Straße gewechselt, die sehr idyllisch durch den Wald und durch eine Schlucht führte.

Diese Straße war sehr schmal und ohne Leitplanken. Nur sehr wenige Autos waren unterwegs. Die Landschaft war sehr eng, dunkelrote Erde trat hervor, weit auseinander stehende Pinien wuchsen an den Hängen. Ich kam mir fremd vor, so anders als auf der Nordseite der Pyrenäen.
Das Hotel in Campdevànol war sehr schick und luxuriös, ein krasser Kontrast zu der Gite in Rieutort.
Tag 26 – Campdevànol – Avinyo – 67 km, 925 Hm
Um Zehn saß ich auf dem Rad, es war trocken, aber noch frisch. Campdevànol liegt ja auch immer noch auf 750m. Es ging auf der Schnellstraße 3km bis nach Ripoll hinunter.

Die Stadt erinnerte mich sehr an Italien, wo auch die Straßen sehr eng sind, wahrscheinlich, um im Sommer die Sonne fern zu halten. Für Bäume ist nur auf den kleinen Plätzen Raum.

Kurz hinter Ripoll ging es in ein wunderschönes kleines Tal mit Wiesen und bewaldeten Hängen. Langsam aber stetig ging es die 300 Höhenmeter hinauf zum Pass auf über 900m.

Dann führte die Route auf einer kleine Betonpiste in das idyllische Naturschutzgebiet des Riera de Merlès, wo ich bald eine wunderschöne Stelle am Bachufer fand, an der ich meine Mittagsrast halten konnte. Hier hätte der Bär aus dem Gebüsch kommen können.

Diese Tal zog sich noch lange hin, es gab kleine Wasserfälle, Badestellen, flache Kieselabschnitte.
Es ging dann auf der großen Straße in einem weiten Bogen bergan. Hatte mich der Südwind im Tal oft gebremst, hat er mich hier geschoben. Das fand ich fair.

Der Blick auf die inzwischen in der Ferne liegenden Pyrenäen-Bergen war sehr schön.
Nachdem ich den höchsten Punkt erreicht hatte begann die 20 Kilometer lange Abfahrt, leider auch wieder mit nervigem Gegenwind, aber immerhin nicht so heftig und kalt wie in den Bergen.

Es gab eine großes Gebiet in dem verkohlte Bäume vom letzten Waldbrand zeugten.
Das Etappenziel Avinyó ist leider, was ich nicht wusste, ein Zentrum der Schweinemast mit einer sehr großen Schlachterei. Der über der Stadt liegenden Geruch war schon ziemlich unangenehm.

Die Vermieter des im allgemeinen für Künstler reservierten Gästehauses waren sehr freundlich. Leider gab es bei ihnen und auch im Ort kein Abendessen. Ein Sandwich in der Bar musste reichen.
An diesem Abend habe ich beschlossen, nur eine Nacht in Barcelona zu bleiben und als letzte Station der Reise einen Badeort an der Costa Brava anzufahren.
Tag 27 – Avinyo – Barcelona – 77 km, 740 Hm
Zum Frühstück hatte mir die Vermieterin kleine Tomaten und Olivenöl hingestellt. Ich solle die Tomaten auf dem Brot ausreiben und mit Olivenöl beträufeln Das sei eine katalanische Spezialität. Ich hab es mal probiert, aber ich hatte das Weißbrot nicht getoastet, daher war der Geschmack nicht ganz so intensiv.

Um neun bin ich los und habe als erstes in Artés meine Einkäufe erledigt. Von dort ging es hinauf in ein bewaldetes Naturschutzgebiet in dem sich sehr viele Rennradfahrer tummelten.

Hinter Monistrol de Calders ging es auf einen Kamm auf etwa 650m mit schöner Aussicht. Dann begann die lange Abfahrt hinunter in Richtung Barcelona.
In Castellar de Valles habe ich Rast gemacht. Ab dort musste ich an der Hauptstraße entlang mit sehr vielen nervigen Ampeln, Bussen, Taxis, LKWs und sehr schnellen Motorrädern. Das war sehr anstrengend.

So erreichte ich Barcelona, plötzlich konnte ich das Meer sehen und vom Garmin geleitet stand ich kurze Zeit später vor der Sagrada Familia! Ich konnte mein Glück kaum fassen.

Nach ganz vielen Fotos bin ich um die Ecke in ein Café und habe von dort habe eine Rundmail geschrieben mit einem Foto vom Café-Tisch.
So richtig glauben konnte ich noch nicht, dass ich es geschafft hatte und am Ziel der Reise war.

Das Hotel war nicht weit weg. Leider musste ich mein Rad gegen Gebühr in der gegenüber liegenden Tiefgarage unterstellen, da auch dieses Hotel über keine Abstellmöglichkeit verfügte.

Als förmlichen Abschluss meiner Pilgerreise war ich in der alten Kathedrale Barcelonas und habe noch an der katalanischen Abendmesse teilnehmen können. Das hatte ich in Moissac, als ich den Jakobsweg verließ, gelobt.
Tag 28 – Barcelona – Pineda de Mar – 60 km, 295 Hm

Ich habe in einem kleinen Café gegenüber des Hotels gefrühstückt und dann das Rad aus der Tiefgarage geholt. 10€ hat das Unterstellen gekostet, aber ich war sehr froh, dass es noch da war.

Durch das Schachbrettmuster der Straßen bin ich noch einmal zur Sagrada Familia um Andenken zu kaufen.
Von der Sagrada ging es zurück zur Diagonal. Sie hat in der Mitte einen sehr breiten Flanierstreifen auf dem auch Radwege verlaufen. Allerdings gilt auch hier: Die Leute gehen quer und nach Gehör. Also muss man sehr vorsichtig sein.
Der Weg zur Küstenstraße führte durch das Hafengebiet mit endlosen Reihen von Lagerhallen, die alle chinesische Schriftzeichen trugen und nur en-gros verkaufen.

In Badalona erreichte ich den Radweg am Strand dem ich bis Premià de Mar folgte. Dann musste ich in den Hang und zwischen den Gewächshäusern und Blumenfeldern hindurch.

Ab Matarò bin ich der großen Küstenstraße gefolgt. Der starke Südwind war nun nicht mehr gegen, sondern für mich. Viele Rennradfahrer waren ebenfalls auf dem Randstreifen der Straße unterwegs und die allermeisten Auto- und LKW-Fahrer überholten sehr rücksichtsvoll.
In Caldes d’Estrac gab es wieder einen kurzen Abschnitt mit Küstenradweg und ein schönes Strandcafé.

Bald war das Hotel in Pineda de Mar erreicht, es lag direkt an der Promenade. Die letzte Etappe war geschafft. Ich war am Ende meiner Radreise. 2038 Kilometer und über 22.000 Höhenmeter lagen hinter mir.
Ich habe noch einen kleine Strandspaziergang unternommen und bin nach dem Essen aufs Zimmer zum Lesen und früh schlafen. Ohne Wecker! Und ohne Etappenplanung!
Tag 29 – Pineda de Mar
Den letzten Tag meiner Reise habe ich faul in der Sonne am Strand verbracht. Es lag keine Strecke mit hohen Anforderungen mehr vor mir, es gab kein Hotel mehr zu suchen, kein Regen drohte, einfach nur ein ganzer Tag für mich.

Kurz nach fünf meldete sich mein Sohn. Er stand mit dem Auto vor dem Hotel und würde jetzt zu mir in die Standbar kommen.
XI. Nachwort

Die Reise entlang eines alten Pilgerwegs war etwas Besonderes für mich. Da ich mich selbst als religösen Menschen bezeichnen würde, habe ich aus den Besuchen der vielen Pilgerkirchen und den Begegnungen mit anderen Pilgern viel an Ermutigung gezogen. Einige Seiten meines Pilgerausweises habe ich auf der Reise mit teils sehr schönen Stempeln füllen können.
Ich bin sehr dankbar, dass ich keinen Unfall hatte und auch nicht krank geworden bin. Meine Ausrüstung, auf die ich viel Zeit in der Vorbereitung verwandt hatte, war wirklich gut. Ich hatte keinen einzigen Defekt am Rad, keinen Platten, keinen Speichenbruch. Außer dem schon vor der Tour geklauten Werkzeug gibt es nur noch ein Schneidebrettchen als Verlust zu beklagen. Es dürfte an der alten Römerstraße vor Neufchateau bei den Baumstämmen am Wegrand liegen wo ich Mittagspause gemacht hatte.
Da ich fast jeden Tag meine Radkleidung gewaschen habe, hätte ich auf den zweiten Satz Kleidung verzichten können. Das Merino-Unterhemd war sehr, sehr praktisch, da es in der Regel erst nach zwei, drei Tagen gewaschen werden musste. Allerdings werde ich mir für die nächste Reise eines in Rot zulegen, damit ich bei heißem Wetter und viel Verkehr nicht noch eine Neon-Jacke darüber tragen muss, um gut gesehen zu werden. Eine kleine Dose WD40 muss auf der nächsten langen Tour in jedem Fall zur Pflege der Schaltung dabei sein. Für das Reinigen von Brille, Handy und Fotoapparatlinse würde ich Brillenputztücher mitnehmen. Ich habe sie noch in Figeac auf der Via Podiensis gekauft.
Ich hatte zwei Brotdosen dabei. Für das Obst, vor allem die Cocktailtomaten, die ich mir oft geholt habe, wären aber zusätliche wasserdichte Dosen von Nutzen gewesen.
Das mitgenommene Buch habe ich nicht wirklich gebraucht, auch keine Radkarten. Die Offline-Karte auf dem Tablet reichte völlig. Die beiden Pilgerführer dagegen sehr nützlich. Zwar ließen sich auch über das Internet Unterkünfte finden, aber ein Verzeichnis mit vorausgewählten Unterkünften an der gewählten Strecke ist besser. Sollte ich einen Fernradweg fahren, würde ich mir auch dafür einen Radreiseführer holen.
Das war sicherlich nicht meine letzte Reise dieser Art war. Wie wäre es als Nächstes mit Griechenland oder dem Nordkap? Also, Griechenland klingt reizvoll, als Ziel und wegen der dazwischen liegenden Landschaften. Rom käme auch in Frage. Oder zum Bodensee und weiter an den Königssee und in Richtung grüne Grenze? Oder doch in den Norden?
