Sonntag, 16.35 Uhr – Ich sitze im Sessel und schaue in den sonnenbeschienenen grünen Garten. Heute spüre ich die Aufregung sehr körperlich. Es ist nicht mehr so sehr eine unbestimmte Vorstellung, was alles schief gehen könnte, sondern das echte Reisefieber kurz vor dem Start.
Den gestrigen Abend haben wir bei dem wunderbaren Musical-Auftritt einer Ahrtaler-Freundin verbracht. Sister Act ist eine sehr schöne und mitreißende Geschichte, auch über den Wert echter Freundschaft. Und den letzten Abend vor der Abreise mit der ganzen Ahrtaler Clique zu verbringen habe ich als ein ganz besonderes Geschenk empfunden.
Herzlichen Dank für alle guten Wünsche, die mir sehr gut tun!
17.00 Uhr – Den größten Teil des heutigen Tages habe ich mit Streckenkontrolle verbracht. Alle Tagesetappen sind diesmal einzeln in Komoot abgelegt. In einigen habe ich tatsächlich noch Treppenabschnitte und geröllige oder sandige Passagen gefunden, an denen ich nun vorbeigeplant habe. Den Rest werde ich vor Ort sehen.
Bei dieser Streckenkontrolle schaue ich mir die Fotos an, die auf Komoot abgelegt wurden. Da waren sehr viele sehr schöne Orte und Landschaften zu sehen, auf die wir (Ihr und ich) uns freuen dürfen.
Die Brote sind geschmiert, die Rohkost geschnippelt. Sie liegen im Kühlschrank und sollten nachher nicht vergessen werden.
Vielleicht starte ich doch nicht erst um 21 Uhr, sondern schon um 20 Uhr. Dann sitze ich zwar über zwei Stunden am Fernbusbahnhof am Kölner Flughafen, aber ich muss nicht das letzte Stück im Dunkeln radeln.

20.09 Uhr – Abfahrt!

20.32 Uhr – In den abendlichen Siegauen bei Meindorf. Ein Kuckuck ruft. Mehrere Reiher staksen über eine bereits gemähte Wiese. Das Rad ist schwer und beschleunigt nur langsam, aber dann rollt es gut.

20.49 Uhr – Noch schnell einen Platten repariert. Die beiden hätten sonst bis nach Kessenich auf der Felge des linken Rads am Anhänger fahren müssen.
Ich hätte wohl eine frische Tube Gummilösung einpacken sollen. Aber für diesen einen Flicken hat es gereicht. Hoffentlich hält die Luft bis Kessenich!

21.05 Uhr – Auf der Nordseite der Sieg. Bald geht die Sonne unter.

21.36 Uhr – Habe mich in Spich im Industriegebiet verfahren. Noch 7 km.

22.01 Uhr – Ok, jetzt kann es nicht mehr weit sein.

Na, das waren nur noch hundert Meter. Der wartende FlixBus fährt nach München. Jetzt ziehe ich mir einen Pulli an und suche nach einem Ort, wo ich die nächsten zwei Stunden verbringen kann.
23.24 Uhr – Ich sitze im warmen aber anfangs sehr lauten Terminal 2, direkt am Ausgang zum Fernbusbahnhof und mit Blick auf mein draußen am Zaun angeschlossenes Fahrrad mit den Gepäcktaschen. Langsam wird es etwas ruhiger hier. Ich auch. Laut App sollte der Bus pünktlich gegen Mitternacht hier sein.
23.52 Uhr – Ich stehe draußen und friere ein bisschen, obwohl ich mir noch die Fleecejacke über den Pullover gezogen habe. Die Adressanhänger sind an den Taschen. Die Lenkertasche ist im Rucksack verstaut, den ich mit in den Bus mitnehmen will.
23.59 Uhr – Der Bus kommt.

0.15 Uhr – Der sehr nette polnische Fahrer hat mein Rad sicher befestigt. Ein weiteres kommt bei einem späteren Halt noch dazu.
Meine reservierten Sitze waren besetzt, es gab aber keine Probleme als ich das Ticket mit den Sitznummern gezeigt habe. Der Bus ist quasi voll und es ist ziemlich warm, was ja erstmal angenehm ist.
Nun versuche ich mal mit dem beim Packen zufällig in der Ausrüstungskiste gefundenen Nackenkissen ein bisschen zu schlafen. Geplante Ankunft in Paris Bercy ist 8.10 Uhr.
Gute Nacht!
Montag, 3.52 Uhr – Halt in Brüssel. Die sehr laute Stimme der Fahrerin hat mich geweckt. Ich habe also tatsächlich mal ein paar Minuten geschlafen. Hinter Aachen wurde rechts und hinter mir in mir unbekannten Sprachen telefoniert, eine Frau weinte dabei. Hier im Bus ist ziemlich was versammelt. Das Nackenkissen ist ok. Die Augenklappe ist super.
Aktuell vermutet die App, dass wir schon um 7.40 Uhr in Paris ankommen.

6.34 Uhr – Sonnenaufgang bei Compiegne. Habe fast zwei Stunden geschlafen. Neue Ankunftszeit ist 8.04 Uhr. Ich werde das nicht weiter verfolgen, macht nur nervös. Jetzt stecke ich noch das Handy zum Laden ein, dann versuche ich, noch etwas zu schlafen.

7.19 Uhr – Im Montagsstau auf der A3 vor Paris. Google schätzt 51 min für 16 km. Das wäre für meinen Anschluss weiterhin entspannt.

7.30 Uhr – Man kann sich wunderbar die Zeit mit Google-Maps etc. vertreiben. Ich esse jetzt mal einen Müsliriegel.
7.53 Uhr – Ich habe Kopfschmerzen, was bei der Hitze hier im Bus wohl nicht verwunderlich ist. Nun bin ich tatsächlich schon in Paris. Das kommt mir noch ziemlich irreal vor.

Wenn ich die riesigen Wohnblocks rechts und links sehe, wird es aber durchaus greifbar.
8.04 Uhr – Noch etwa fünfzehn Minuten. Das klingt sehr gut!

8.30 Uhr – Ankunft in Bercy.

8.44 Uhr – Fertig mit Beladen. Auf ins Pariser Getümmel.

Ich bin raus aus dem Busbahnhof und außen entlang. Einen Zugang zu der über mir verlaufenden Brücke konnte ich nicht finden. Der freundliche Mann, der die Zufahrt zum Busbahnhof kontrolliert, hat mich in die Tiefgarage geschickt. Jetzt stehe ich vor dieser Treppe, die hoffentlich erstmal wieder ins Freie führt.
Ich wäre wohl besser dem deutschen Reiseradler hinterher gefahren, der auch im FlixBus war. Er will zum Mont Saint Michel.

Blick von oben in den Park Bercy. Drei Mal vierzig Kilo über elf Stufen tragen: puh. Da gibt es bestimmt irgendwo einen befahrbaren Zugang zur Brücke.

8.58 Uhr – Endlich auf der tollen doppelt geschwungenen Fußgängerbrücke über die Seine. Die Schlepperei hat sich gelohnt. Jetzt los.

Viel Berufsverkehr auf breiten Radspuren.

Hier an der großen Kreuzung hält man dann doch an der roten Ampel, an Fußgängerüberwegen nicht.

Tour Montparnasse. Mehr Sightseeing gibt es heute leider nicht. Etwas chaotisch hier, bin voll in den dreispurigen Gegenverkehr gefahren: uhps! Zum Glück waren alle entspannt.

9.29 Uhr – Am Eingang zum Bahnhof. Hoffentlich sind das die letzten Treppen vor dem TGV.

Ja, keine Stufen mehr. Das Gleis für den Zug nach Hendaye wird schon angezeigt.

9.52 Uhr – Auf die Sekunde genau fährt der Zug ab. Die große blaue Pappe links vom Rad blockierte meinen Stellplatz, damit er nicht für Gepäck verwendet wird: super Service. Auch der Check-In am Gleis lief schnell und freundlich. Jetzt habe ich fast fünf Stunden Zeit zum Entspannen.
10.53 Uhr – Wir sind schon südlich von Tour, brettern mit 300 km/h durch die flache Landschaft. Langsam gibt es neben den riesigen Getreidefeldern mehr und mehr Wald. Der erste Halt ist um 12.14 Uhr in Bordeaux.
Ich habe mir im Bistrowagen einen Kaffee geholt: herrlich! Der Weg durch die vollbesetzten, leicht schaukelnden Wagen war nicht ganz einfach. Aber er hat sich gelohnt. Brote und Rohkost, das kleine Orgienpaket (siehe «Asterix bei den Schweizern»), waren ein sehr willkommenes Frühstück.

12.24 Uhr – Wir haben die Garonne überquert und in Bordeaux gehalten. Jetzt kommt der zweite Abschnitt der Fahrt mit fünf Stopps, der letzte ist in Hendaye.
12.58 Uhr – Das erste Müsli, Rapunzel Original Müsli mit Apfelstücken und einem kleinen Naturjoghurt, war ganz vorzüglich. Inzwischen rasen wir durch die endlosen Baumplantagen der Les Landes auf dem Weg nach Dax. Durch diese Gegend sind wir vor zwei Jahren auf dem Weg nach San Sebastián lange geradelt, siehe Tour 2023.
14.03 Uhr – Stopp in Bayonne. Es regnet und über Hendaye geht eine Gewitter nieder. Vielleicht bleibe ich dort noch ein bisschen im trockenen Bahnhof? Morgen könnte es aber trocken bleiben. Da hätte ich nichts gegen.

14.50 Uhr – Ankunft in Hendaye. Leider steht mein Wagen nicht in der Halle, aber ich habe einen nahen Unterstand gefunden. Jetzt belade ich das Rad und rolle ins Trockene.

15.07 Uhr – Im der Bar Tabac gab es Kaffee und ein letztes Pain-au-Chocolat: genial!
Hier sind viele Leute mit Wanderrucksäcken in unterschiedlichen Größen. Einer hat einen kleinen zweirädrigen Anhänger dabei, quasi einen Rucksack auf Rollen mit den Wanderstöcken als Deichsel eingehängt in einem Geschirr, das unter seiner Regenjacke rausguckt.

Wahrscheinlich wird es nicht vor fünf besser.
Leider hat die volle Wasserflasche, die ich für die Busfahrt im Gepäck hatte, nicht ganz dicht gehalten. Glücklicherweise war sie in einer Plastiktüte. Trotzdem fühlen sich die Sachen in dieser Tasche feucht an. Ich sollte sie also heute Abend alle zum Trocknen ausbreiten.
15.34 Uhr – Ich warte jetzt doch keine zwei Stunden, sondern packe mich ein und radle los. Es sind ja nur sechs Kilometer.

Statt eines sogenannten Schutzstreifens für Radfahrer ist hier ein roter Streifen auf der Mitte der Fahrbahnen: wow, das ist mal eine Ansage! Trotzdem fahre ich ziemlich am Rand, da ich nicht weiß, wie die Autofahrer hier mit Radfahrern so umgehen.

Ich muss schon sagen, die Radinfrastruktur ist wirklich gut. So hatte ich sie von San Sebastián auch in Erinnerung. Das scheint bis hierher umgesetzt worden zu sein.
Der Regen geht so, könnte schlimmer sein.

16.09 Uhr – Nasse Ankunft am großen Hotel. Das Fahrrad darf hinter die Rezeption ins Büro. Frühstück ab 7.30 Uhr und Abendessen ab 20 Uhr. Das entspricht im Wesentlichen ja meinem Rhythmus. Der Mann an der Rezeption war sehr freundlich, konnte gut Englisch, musste meine Zuversicht für einen trockenen Tag morgen aber deutlich dämpfen.
17.08 Uhr – Die benutzen Behältnisse sind gespült und ich bin frisch geduscht. Alles wirklich topp hier. Ein sehr guter Einstand. Rasiert habe ich mich auch noch. Morgen wäre das Pflügen durch das Stoppelfeld ziemlich schmerzhaft geworden. Und alle feuchten Sachen hängen zum Trocknen auf der quer durch das Zimmer gespannten Wäscheleine, wie immer.
Jetzt bin ich also tatsächlich schon in Spanien! Was die letzten Wochen, und eigentlich sind es schon Monate, nur in meinem Kopf herum gegeistert ist, ist nun Realität. Das wirklich zu begreifen könnte noch ein oder zwei Tage dauern. Jedenfalls freue ich mich unglaublich und bin zutiefst dankbar und glücklich, dass diese weite Anreise so super geklappt hat.

20.54 Uhr – Das erste spanische Abendessen, mit alkoholfreiem Bier. Bin mal gespannt, was ich im Laufe der Wochen zusammenkommt. Keine Ahnung, wie es die Kroketten in die Bestellung geschafft haben. So etwas wird mir sich auch noch öfter passieren.
21.23 Uhr – Vor dem Essen habe ich schon eine Stunde fest geschlafen. Den Rest hole ich mir jetzt. Vorher aber noch zwei Seiten Don Quijote, eine wirklich herrlich absurde Geschichte.
Gute Nacht, und vielen, vielen Dank für die vielen guten Wünsche und gedrückten Daumen!
Flicken hat gehalten:)… Grüße aus Bonn u d viel Spaß weiferhin:)
Freut mich sehr!
Bonjour Leonhard, wie schön, du in Paris 🥰 Ich wünsche dir eine wunderschöne Reise, zahlreiche Abenteuer und umso weniger Pannen. Ich freue mich sehr darauf, dich wieder virtuell begleiten zu dürfen und natürlich bei einem Kuchenbild zu genießen 😉 Genieß die Zeit und komme gesund wieder! Alles Liebe, Sandra
Hi Leonhard,
sitze gerade im Zug von Siegburg nach München und folge gespannt Deinen Berichten. Ich wünsche Dir viel Spass in Spanien und Portugal und freu mich schon auf Deine Fortsetzungen in diesem Blog!
Keep the rubber down!
Harry
Danke Dir! Gute Reise!
Buenas noches Leonhard,
Das ist toll, dass Du wieder unterwegs bist und wir dabeisein dürfen 👍
Du hast Dir dieses Jahr erneut ordentlich was vorgenommen. Und schon sehr viel Zeit und Energie in die Vorbereitungen gesteckt. Hut ab!
Ich drücke Dir die Daumen, dass im Wesentlichen alles gut klappt 🍀
Viele Grüße aus Norddeutschland
Lisa 🙋
Lieber Leonhard,
Es freut mich, dass du erste gute Erfahrungen gemacht hast. Ich wünsche dir alles Gute für diese Reise mal wieder alleine. Du bist lange unterwegs und wirst viel erleben und hoffentlich auch genießen. Ich wünsche dir auch viele nette Begegnungen und immer rechtzeitig Kaffee und Kuchen.
Herzgruss aus San Remo nach Spanien
Angelika