6.49 Uhr – Das laute Rauschen des Rio Valvarce hat mich gestern noch eine Weile wachgehalten. Es war also keine sehr lange Nacht. Ich hatte keine Krämpfe, habe keine Kopfschmerzen und das Gesäß ist auch soweit ok. Das ist schon großartig. Die Schmerzen an der Lippe werden wohl noch einige Tage anhalten. Ich hoffe, dass die Salbe die Heilung beschleunigt und dass es kein Dauerzustand wird. Es kommt ja noch viel Sonne, vor allem direkt von vorne, wenn ich nach Süden fahre.
Heute Nachmittag könnten vom Atlantik ein paar Tropfen Regen bis hierher gedrückt werden. Sieht aber nicht schlimm aus.
Da die Etappe heute sehr kurz ist, habe ich recht gute Chancen trocken anzukommen. Dafür sollte ich aber mal aufstehen.

Heute geht es zur Abwechslung mal wieder fast ausschließlich bergauf. Zum letzten Mal komme ich auf über 1300 m Höhe. Die Etappe ist mit 44 km sehr kurz. Über 1000 Höhenmeter wollen bewältigt werden. Das dürfte über drei Stunden dauern, bei ca. 300 Hm pro Stunde.
8.37 Uhr – Das Frühstück war unspektakulär. Es ist etwas frisch und bewölkt. Jetzt geht es los.

8.54 Uhr – Ich bleibe links auf der Hauptstraße. Sicher schon fünfzig Pilgernde habe ich passiert.

9.22 Uhr – Die Pedelec-Fahrerin mit Warnweste ist Niederländerin. Sie weicht jedes Mal auf die kleinen Straßen aus. Vorhin, als ich kurze Trinkpause machte, kam sie zu mir auf die Hauptstraße. Wir haben kurz den Weg gecheckt. Eigentlich kann man bis zum Pass auf der N-6 bleiben.

9.40 Uhr – Leider umfahre ich auf der neuen Straße viele Bars. Aber sicher kommt auch hier bald wieder eine. Wäre Zeit für eine Kaffeepause.

9.53 Uhr – Gleich steige ich auch ab ins Tal. Das Sträßchen da unten sieht ja ganz gut aus.

Oben links hängen Nebel am Pass.

10.05 Uhr – Gleich am Ortseingang gibt es eine Bar für die müden und hungrigen Pilger. Ich probiere hier mal die Tarta de Santiago.
Hier in der Bar ist gar nicht so viel los, aber es kommen beständig Rucksackleute vorbei.
10.27 Uhr – Weiter.

Am Ortsausgang die erste geöffnete Dorfkirche seit langem. Ich sah das offene Gartentörchen und habe runter zur Kirche geschaut. Dann sah ich, dass die Tür einen Spalt offen war. Hat mich sehr gefreut.

10.51 Uhr – Schlicht und schön und mit einer entzündeten Kerze für alle Lieben nah und fern.

11.38 Uhr – Auf der hier sehr «antik» anmutenden Antigua Carretera N-VI komme ich gut voran. Auf Kilometer 24, nach 505 Hm und auf einer Höhe von 924 m. Zum Pass fehlen also noch gut 400 Hm, wofür ich etwa eineinhalb Stunden brauche.

11.47 Uhr – Ich komme in den Bereich des Nebels. Also ziehe ich mir trotz anstrengender Steigung die Windjacke an.

Oh, das könnten 18% auf losen Steinen sein.

11.56 Uhr – Furchtbar: Die Hälfte habe ich mit Schwung geschafft. Als ich einmal stand rutschte das Rad auf dem Geröll und meine Füße auch. Dazu böiger Gegenwind. Das war nicht schön. Aber egal! Und hier oben ist wieder die gute alte Nationalstraße. Wo mag ich da eine Abzweigung verpasst haben? Auf der Karte ist diese bessere Straße nicht zu sehen. Ah, klar, das ist eine Sackgasse. Die neue Straße hat hier die alte durchtrennt und der steile Schotterweg ist die Verbindung zwischen den offenen Enden.

12.14 Uhr – Unter mir im Nebel die Autobahn, die auch zum Pass hochführt. Kalter Gegenwind.

12.17 Uhr – Ich komme nach Galizien!

12.21 Uhr – Der Pilger im Nebel. Auf 1098 m. Zu kalt, feucht und windig für eine Pause.

12.41 Uhr – In Pedrafita do Cebreiro habe ich Kekse gekauft, nun brauche ich eine schöne Stelle. Hier untertunnelt die Autobahn den Berg und geht wieder bergab. Mein pass liegt noch höher.

Zwei Niederländer stehen links mit ihren schwer beladenen Pedelecs und müssen dringend nachladen. Von einem Schnellladegerät hatte er noch nie gehört. Der Spanier mit Anhänger hat wohl noch genug Energie im Akku.

Der Spanier zieht vorbei, klar.
Man sieht nichts, aber es läuft auf 4% Steigung ohne Wind echt gut. Es wird sogar wärmer.
13.01 Uhr – Auf 1237 m. Kann nicht mehr weit sein. Sehen kann ich nichts.

13.07 Uhr – Auf 1279 m. Kein Blick ins Tal.

13.13 Uhr – Das erste Hinweisschild zum EV-3. Ich bleibe aber auf der guten Hauptstraße.

13.16 Uhr – Doch mal wieder ein Pass-Schild. Sehr schönes letztes Stück. Ich fahre doch mal in den Ort O Cebreiro hinein.

13.40 Uhr – Das sehr schön restauriertes Dorf. Überall Bars und Andenkenläden.

Santa Maria a Real do Cebreiro ist die älteste Pilgerkiche am Jakobsweg. 836 wurde hier das erste Pilgerhospiz und Kloster gebaut.

Es ist wunderbar warm hier drin. Die letzten Tage war das Wetter sehr sonnig und warm hier oben.
Leider laufen aus einem kaputten Lautsprecher gregorianische Choräle, die mir die Andacht etwas verderben.

Im Jahre 1300 soll sich ein Hostienwunder hier zugetragen haben, bei dem sich Hostie und Wein in reales Fleisch und Blut verwandelt haben sollen.
Für beides wurde von den katholischen Königen Isabella I. und Ferdinand II. im 15. Jhd. ein Bergkristallgefäß gestiftet, das auch als galicischer Heiliger Gral bezeichnet wird und Teil des galicischen Wappens ist.

13.59 Uhr – Hier wird ein Haus neu mit Stroh gedeckt. So richtig einen guten Platz für eine Mittagspause habe ich nicht für mich gefunden. Hm.

Ich bin weitergefahren zu einer zweiten, niedrigeren Passhöhe Alto de San Roque.

Der Pilger stemmt sich gegen den Wind und den Nebel. Seinen Hut muss er festhalten. Passt sehr gut zum Wetter.

14.51 Uhr – Ich sitze auf einer schön warmen Steinbank und halte Mittagspause. Das Baguette von vorgestern ist jetzt harter Zwieback, dazu Käse und Schinken.

15.24 Uhr – Das niederländische Paar mit den Pedelecs macht ein Foto.
Mal weiter.

15.48 Uhr – Der letzte Pass für heute, er ist sogar höher als der erste. Noch 3,5 km bergab zur Unterkunft. Man sieht weiterhin nichts.

16.01 Uhr – Am Ziel in einem winzigen Weiler.
Die Spanierin am Empfang hatte Mühe mit meinem Namen, sowohl dem Vornamen (Leonardo fand sie dann ganz prima) als auch dem Nachnamen. Sie hat dann zu ihrer Kollegin Michaela gesagt, sie müsse das doch aussprechen können, sie sei ja Deutsche. Stellt sich raus, dass Michaela seit zwei Jahren in Spanien lebt und hier arbeitet.
Ansonsten sind wieder viele Australier unterwegs.

Das ist eine ganz neue und super schön eingerichtete Herberge. Die Bar ist offen, also habe ich Limonade und Cortado zu dem Gepäck, das ich unterwegs gekauft habe, getrunken. Abendessen gibt es in einem alten Steinhaus gegenüber um 19 Uhr für alle. Sehr gute Uhrzeit!
Weiterhin ist es so neblig, dass ich das Gefühl habe, im Nirgendwo zu sein.
18.52 Uhr – Dann mal auf zum Abendessen.

Die Restaurant-Hütte, der Schornstein raucht.

Ist riesig hier drinnen.

Ein langer Tisch und viele Leute. Super leckeres Essen.

Als der Kuchen kam wurde ein galicisches Dudelsack-Lied gespielt und wir mussten alle klatschen. Später forderte sie sogar zum Tanzen auf. Welch ein Abend.
Habe sehr nett mit der kalifornischen Tischnachbarin gesprochen.

Hier mal wieder die Übersicht über meine bisher zurückgelegte Strecke. Die hohen Berge verlasse ich morgen.
20.55 Uhr – Ich habe mir für das Lesen des Krimis noch ein Bier an der Bar geholt u d hänge jetzt auf dem bequemen Sofa ab.
Gute Nacht.
Lieber Leonhard, habe gerade heute Morgen an dich gedacht und etwas in deinem Blog gelesen, beeindruckend! Ich wünsch dir heute eine gute Weiterfahrt und Gottes reichen Segen. Liebe Grüße und in Gedanken bei Dir Catherine